: „Die Koalition will vertuschen“
Die Föderalismusreform geht mit dem Rohstoff „kluge Köpfe“ nicht gut um, findet Cornelia Pieper (FDP). Das hätte eine eigene Expertenanhörung Bildung gezeigt
taz: Frau Pieper, Sie wollten als Opposition eine eigene Expertenanhörung für die Bildung. Warum?
Cornelia Pieper: Die Föderalismusreform geht mit dem einzigen Rohstoff, den wir in Deutschland haben, unseren klugen Köpfen, nicht sorgsam um. Diesen Pfusch will die große Koalition offenbar vertuschen. Wir nicht.
Sind Sie gegen eine Reform?
Ich bin dafür. Nur mache ich nicht jeden Unsinn mit. Auch wenn Staatsreform draufsteht.
Wo liegt der Fehler?
Wir sind das einzige Land der Welt, das Bildungschancen ungleich verteilt und trotzdem an der zersplitterten Schullandschaft festhält. Ja, wir verschärfen die Situation noch.
Wie das?
Die Konferenz der Kultusminister (KMK) hat es in 50 Jahren nicht geschafft, echte Freizügigkeit durch gleiche Schulabschlüsse und vergleichbare Leistungsniveaus herzustellen. Nun bekommt die KMK noch mehr Einfluss. Ich prophezeie, dass es für einen Studienanfänger aus Stuttgart nach der Reform leichter ist, in London mit dem Studium zu beginnen als in Berlin.
Der Anspruch war doch, klare Verhältnisse zu erzeugen?
Ich glaube, dass es in der Bildungs- und Wissenschaftspolitik noch komplizierter wird. Die Länder können von den Beschlüssen des Bundes abweichen. Und für die finanzschwachen Länder wird es immer schwieriger, mit den Südstaaten Schritt zu halten. Den starken wird mehr gegeben als den schwachen.
Welche Folgen wird das für den Osten haben?
Sachsen-Anhalt etwa hat bisher 60 Millionen Euro an Bauinvestitionen für seine Unis bekommen, künftig werden es nur noch 35 Millionen sein. Die ostdeutschen Länder haben künftig keine Chance mehr, am Länderwettbewerb teilzunehmen. Die Stärkung von Bildung und Technologie ist aber mittelfristig die einzige Chance auf so etwas wie Aufschwung. Wir dürfen also die Wissensstandorte nicht schwächen, wir müssen sie stärken.
Ihre Fraktion hat dieser Föderalismusreform bereits zugestimmt. Was werden Sie tun?
Ich kann dem Föderalismusgesetz so nicht zustimmen. INTERVIEW: CHRISTIAN FÜLLER