schurians runde welten : Talking ‘bout my generation
„Das ist in etwa so, als wenn ein Arbeiter erst befördert und dann plötzlich zurückgestuft wird.“ (Alexander Bugera)
Vor ein paar Wochen hat Schlagerpunk Campino mal etwas richtiges gesagt. Er tat das in einer Frauenzeitschrift für Männer, die sich Bestlife nennt und Gespräche von Männern mit Beiträgen mischt über „Anti-Aging“ und Liebe – was verträumter klingt, als es sich liest. Es geht beispielsweise darum, was man zu Abend essen sollte, um eine anständige Erektion zu bekommen.
Auch Campino redet in Bestlife viel Unfug über Vaterschaft und Kindheit, doch beim Thema Liverpool trifft er es. Leider. Sein „alter Freund“ Didi Hamann würde in der Hafenstadt wie einer von den Beatles behandelt. Was Liverpoolanhänger Campino rührt und freut, macht mich traurig. Auch am Merseyufer ist der Fußball längst zur hunderttausendarmigen Krake geworden. Die Popstadt wurde zur Fußballhauptstadt und fast wurde darüber vergessen, wie wenig sich die berühmtesten Stadtmusiker einst aus Fußball machten.
Denn auch wenn Beatles-Gassenhauer auf den Anfield-Fußball-Tribünen rasch zu Fanchören umgedichtet wurden, war Fußball für den wilden Kunstschüler John Lennon samt Kollegen George Harrison oder Paul McCartney ein Proletensport. Wenn McCartney heute ab und zu bei Länderspielen gesehen wird, beweist das nur die Theorie, dass der wahre Paul längst tot ist und von der Musikindustrie durch einen schleimenden Doppelgänger ersetzt wurde.
Liverpool an einem Frühjahrswochenende ist tatsächlich wenig Beat und ganz viel Fußball. Hotels, die mit dem überstrapazierten Slogan für sich werben „You‘ll never sleep...“, freuen sich über konsumfreudige Männergruppen. Fußballstadien und Gaststätten über ein volles Haus zum Anpfiff, auch wenn der schon um 12 Uhr Ortszeit erfolgt.
Nur in einigen der freundlichen Bierschwemmen Liverpools war es wie einst vor dem Fußballuniversum: Johnny Cash zum Mitsingen. Mehr Boxerfotos als Mannschaftsbilder an den Wänden. Einmal sogar vier Goldschilder überm Hinterzimmersofa mit den Vornamen der Fabelhaften, dazu verblassende Originalkritzeleien von John Lennon. Versöhnlich.
Apropos versöhnlich: Vielleicht ist auch die seit den Achtzigern betriebene Popularisierung des Fußballs und Fußballisierung des Pops eine gigantische Versöhnungsfeier. Wie sagt es der deutsche Popfußballfrontmann und Edelfortune Campino der Männerfrauenzeitschrift? „Es war egal, von wo in der Welt ich zurück nach Düsseldorf gekommen bin: Ich habe Vater und Mutter sofort angerufen und gesagt, dass ich wieder da bin.“ Campinos zweites Kind heißt übrigens Lenn John.CHRISTOPH SCHURIAN