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Archiv-Artikel

Warmlaufen zur WM

Hamburg holte Polizeieinheiten aus dem gesamten Norden ins Trainingslager – zur Vorbereitung auf Ausschreitungen bei der Fußballweltmeisterschaft. Das Szenario erwies sich als durchaus realistisch

von Kai von Appen

Werner Jantosch redet über seine Leute wie ein Coach: „Hamburg als Austragungsort der Fußball-WM ist für uns eine besondere Herausforderung“, sagt der Hamburger Polizeipräsident. „Wir sind sehr gut aufgestellt.“

Um sein grünes Team auf das WM-Event optimal vorzubereiten, geht Jantosch sogar unkonventionelle Wege. 1.736 Männer und Frauen aus dem so genannten „Nordverbund“ – Leistungsträger der Bereitschaftspolizei aus Hamburg, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Bremen und Schleswig-Holstein sowie der Bundespolizei – holte er diese Woche ins eintägige Traningslager in die Elbmetropole, um Strategien, Taktik, Kombinationen und Einsatzbereitschaft in den verschiedensten Disziplinen zu üben.

Da echte Sparringspartner fehlten, mussten Jantosch und seine Co-Trainer aus dem eigenen Kader nach realistischen Trainingspartnern schöpfen. 300 PolizistInnen und PolizeischülerInnen schlüpften in die Kluft von gewaltbereiten Fans, Hooligans und Krawallmachern. Obwohl sich viele von ihnen in ihrer Rolle gut auskannten – „wir haben ja auch ein Privatleben“ – musste es bei der Übung natürlich wie bei der Polizei üblich auch eine Leitung geben, die über Funk Regie führte: die „Störergesamtleitung“.

Das beiderseits absolvierte Programm war vielfältig: Schutz des Manschaftshotels, Fanbegleitung ins Stadion, Sturm eines Fernzuges auf offener Strecke, Stopp eines Fans-Autokorsos und dergleichen. Dass nicht alle Akteure im Greenteam-Kader überall einsetzbar sind, zeigte sich beim Katz- und Maus-Spiel in der U-Bahn, wo die ortskundigen „Störer jeglicher Coleur“ dem Greenteam aus Mecklenburg-Vorpommern überlegen waren. Denn schon nach wenigen Stationen „Fanbegleitung“ verlor dieses die Orientierung – „wo sind wir hier – links Häuser, rechts Häuser“ – und es herrschte Erstaunen darüber, dass man aus den Bahnen abwechselnd mal links oder mal rechts aussteigen kann. „Es geht gerade darum, die Besonderheiten des U-Bahnsystems aufzuzeigen“, erläuterte ein U-Bahnsprecher den Ossis. „So wie sich Türen unter Druck öffen lassen oder welche Gefahren von Stromschienen ausgehen.“

Dann konnte er auch noch mit Technik prahlen. „Alle unsere U-Bahnwaggons sind mit Videokameras ausgestattet.“ Die Bänder würden 24 Stunden aufgehoben. „Wir sind gerne bereit, sie der Polizei zwecks Strafverfolgung zur Verfügung zu stellen.“

Wenig später an der Endstation war jedoch wieder polizeiliches Handwerk gefragt. Und das funktionierte nicht so recht, als auf dem Bahnsteig rivalisierende Fangruppen aufeinanderstießen und die menschlichen Einsatzleiter wegen widersprüchlichen Befehlen die Lage schwerlich in den Griff bekamen.

Hinterfragen muss das Greenteam auch, ob das gern in Hamburg bei Links-Demos praktizierte Vorgehen – Einkesseln und rein in den Sack – sich nicht bei der Fußball-WM kontraproduktiv auswirken könnte. So, wenn ein Linienbus mit 50 Krawall-Fans gekapert wird, alle Randalierer festgenommen und jeder einzelne in Begleitung von zwei Beamten per „GT“ (Gefangenentransporter) zur „Gefangenensammelstelle“ verbracht werden muss. „Wenn wir die alle abarbeiten müssen, wäre die ganze Hundertschaft mit dem Ding verbraten und für Stunden gebunden“, stellte ein Hundertschaftsführer ernüchtert fest. Eine Erkenntnis, die wohl auch ohne Übung hätte gewonnen werden können. Und so lästerte auch der „Störer-Anführer“: „Die haben wohl noch nichts vom Buskonzept gehört, in die Mitte rein und befrieden. So hätten wir sogar Geiseln nehmen können.“

Trotz alledem zeigte sich Coach Werner Jantosch mit den Ergebnissen des Trainingslagers zufrieden. „Außer kleineren Problemen sind die Übungen gut gelaufen“, lautete sein Fazit. „Wir konnten das üben, was uns im Alltag begegnen kann.“

Dabei störte es ihn nicht, dass es ja eigentlich nur simulierte Spielchen waren. „Irgendetwas transferiert sich dennoch in die Realtität – irgendwann ist es so realistisch, dass es schon ineinander überläuft.“ Und da hatte er Recht, wie vor der Kulisse eines Public-Viewing-Points zu sehen war, wo das Greenteam die Trennung der beiden Fanlager von „Pazifik“ und „Atlantik“ während einer Spielübertragung übte.

Für die Polizei sind die Videopoints das „größte Problemfeld“ bei der WM, da dort oft Alkohol und Emotionen das Geschehen anheizen. Und in der Tat: Beim gespielten Nahkampf, bei dem auch geworfene Nebelgranaten die Atmosphäre realistisch erschienen ließen, setzte beim Greenteam derart die Motorik ein, dass das Geschehen außer Kontrolle zu geraten drohte. „Das ist alles zu heftig. Die Übung soll ohne Verletzungen zu Ende gebracht werden“, lautete die Ermahnung aus dem Lautsprecherwagen an die Statisten und Polizisten. Leider zu spät: Drei Störerstatisten waren bereits verletzt ...