: Niedrige Einsatzschwelle
Hamburger Polizei muss rechtswidriges Vorgehen gegen eine Antifa-Demo eingestehen. Wasserwerfer hatten Protestler gegen Neonazi-Aufmarsch von der Straße gefegt. Strafanzeige gegen Polizeiführer angekündigt
von Peter Müller und Andreas Speit
Erneutes Schuldeingeständnis der Hamburger Polizei: Ein Wasserwerfereinsatz im Januar 2004 gegen antifaschistische Demonstranten, die gegen einen Neonazi-Aufmarsch anlässlich der „Wehrmachtsausstellung“ protestierten, war rechtswidrig. Das hat die Rechtsabteilung der Polizei jetzt nach zwei Jahren Rechtsstreit vorm Hamburger Verwaltungsgericht einräumen müssen und damit das Vorgehen der Polizeiführung beanstandet.
Die Jarrestadt am 31. Januar 2004: Etwa 1.000 Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet sind angereist, um gegen die gehasste „Schandausstellung“ des Instituts für Sozialforschung über die Verbrechen der deutschen Wehrmacht in den Kampnagel-Hallen zu marschieren. Ein breites Bündnis aus Gewerkschaften, Antifaschisten und Autonomen versammelt sich parallel auf einer von der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes“ (VVN) organisierten Gegendemonstration.
Als die etwa 4.000 Menschen beinahe den Endkundgebungsort erreicht haben, werden sie plötzlich ohne Vorwarnung von sechs Wasserwerfern unter Beschuss genommen. Viele werden von den Fontänen umgestoßen, andere flüchten in Hauseingänge, wieder andere stemmen sich den Hochdruck-Wasserstrahlen entgegen.
Vom Lautsprecherwagen aus versucht die Auschwitz-Überlebende Esther Bejarano noch mit einer Rede die Lage zu befrieden. Doch dann wird auch der Wagen Ziel polizeilicher Gewalt: Das Pritschenfahrzeug wird gestürmt, das Stromaggregat beschlagnahmt und die Demo für aufgelöst erklärt.
In dem später von der VVN-angestrengten Verwaltungsrechtsstreit stellte sich laut Anwältin Britta Eder bereits im Vorverfahren heraus, dass die Polizei ihr Vorgehen frühzeitig geplant hatte. So habe der Hamburger Polizeiführer Peter Born bei einer Einsatzleiterbesprechung am Vortag der Demo den auswärtigen Polizeikäften befohlen, „die Brücken“ in Winterhude „zu halten“ und die „Einsatzschwelle“ für die Wasserwerfer „niedrig“ anzusetzen.
Am Tag des Einsatzes wiederholte er diese Vorgabe, als sich die Demo noch in der Weidestraße befand. Über Funk befahl er beim geringsten Anlass den „Wasserwerfereinsatz ohne Durchsage“ – obwohl die Demo nach dem Versammlungsrecht zu diesem Zeitpunkt geschützt war. Dem Kommandanten eines Wasserwerfers aus Dresden reichten explodierende Knallkörper und Schneebälle aus, um die Wasserschlacht auszulösen.
Aber nicht nur die polizeiinternen Aussagen und Unterlagen brachten die Polizeiführung unter Druck. Das Gericht ordnete auf Antrag Eders die Beiziehung der Strafakte an, die die Staatsanwaltschaft aufgrund eines parallelen Strafantrages der VVN gegen die Polizeiführung wegen Nötigung und Körperverletzung im Amt angelegt hatte.
Die darin enthaltenen Videoaufnahmen der Ergnisse sorgten endgültig für lange Gesichter bei den Polizeijuristen, sodass Justitiar Ulrich Ettemeyer gegenüber dem Gericht erklären musste, dass der Wasserwerfereinsatz „mit der Rechtsordnung nicht im Einklang stand“.
Mit diesem Eingeständnis gibt die Polizei zwar ihr rechtswidriges Vorgehen zu, normalerweise bleibt so etwas jedoch für die Ordnungsmacht folgenlos. In diesem Fall könnte es jedoch für Einsatzleiter Peter Born Konsequenzen haben. Während zunächst die Strafanzeige gegen „Unbekannt“ gestellt worden war, kündigte Anwältin Eder gegenüber der taz nun an, „die Anzeige auf Herrn Born zu konkretisieren“. Laut Aktenlage gebe es keinen Zweifel, dass er für die polizeilichen Ausschreitungen veranwortlich zeichnete.