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Archiv-Artikel

Keine Ausnahme fürs Auswärtige Amt

URTEIL Ein deutscher Wahlbeobachter wurde vom Außenministerium von Aufträgen ausgeschlossen. Auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes wurde die Regierung verurteilt, ihm Auskunft zu erteilen

Es habe Beschwerden über sein Verhalten gegeben, hieß es. Liesegang war bestürzt

BERLIN taz | Das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) gilt ungeschmälert auch im diplomatischen Dienst. Das entschied jetzt das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg. Das deutsche Außenministerium hatte erfolglos versucht, großzügige Ausnahmen von der Auskunftspflicht durchzusetzen.

Geklagt hatte der 42-jährige Peter Liesegang, der jahrelang in anderen Ländern als Wahlbeobachter im Einsatz war. Seit 2002 gehörte er einem Expertenpool beim deutschen Zentrum für internationale Friedenseinsätze (ZIF) an. Die Experten werden dann von der Europäischen Union und anderen internationalen Organisationen eingesetzt.

Vor drei Jahren hatte Liesegang seinen letzten Auftrag, es ging um die Präsidentenwahl in der Ukraine. Anschließend feuerte ihn jedoch das ZIF aus dem Expertenpool. Es habe Beschwerden über sein Verhalten gegeben. Liesegang war bestürzt. Der Diplom-Ökonom machte die Arbeit gerne und sah seine Zukunft in mehrmonatigen, durchaus gut bezahlten Friedensmissionen blockiert.

Natürlich versuchte Liesegang herauszufinden, wer ihn angeschwärzt hatte und was ihm konkret vorgeworfen wurde. Er fühlte sich wie in einer Gruselnovelle von Kafka. Doch das ZIF verweigerte die Auskunft. Der Informant aus einem anderen Land habe um Vertraulichkeit gebeten, und daran werde man sich halten. Liesegang vermutet, dass es kein Ukrainer war, sondern ein anderer Wahlbeobachter, also ein ehemaliger Kollege.

Liesegang ging vor Gericht und berief sich auf das seit 2006 geltende Informationsfreiheitsgesetz. Das Verwaltungsgericht Berlin bestätigte im letzten Sommer seinen Informationsanspruch. Doch das Auswärtige Amt reichte Berufung ein und machte den Fall zur Grundsatzfrage. Die Wahrung der diplomatischen Form und Vertraulichkeit sei kein Selbstzweck, so die Bundesregierung, sondern eine „notwendige Vorstufe“ zur Verwirklichung außenpolitischer Ziele.

Dem OVG war das alles zu vage. De facto verlange die Regierung eine Ausnahme von der Auskunftspflicht für den gesamten diplomatischen Dienst. Das habe der Gesetzgeber aber sicher nicht gewollt, heißt es in dem OVG-Urteil, das der taz vorliegt. Wenn die Bundesregierung nicht konkret sagen könne, welche Probleme es bei Offenlegung des Informanten wohl geben werde, müsse sie Liesegang eben doch informieren. Weitere Rechtsmittel hat das OVG nicht zugelassen.

Liesegang geht davon aus, dass sich die Vorwürfe als Nichtigkeiten entpuppen und er alsbald wieder als Wahlbeobachter eingesetzt werden kann. Noch hat er die Informationen aber nicht erhalten. Nur ein Grundsatzurteil. (Az.: 12 B 9.12)

CHRISTIAN RATH