Verseuchtes Milchpulver für Asien

LEBENSMITTELSKANDAL Der größte Milchexporteur der Welt verkauft verseuchte Molke und meldet den Pfusch erst ein Jahr später. Regierung sorgt sich um Milliarden-Industrie. China und Russland sperren Einfuhren

Neuseelands zweitwichtigste Branche, die Milchindustrie, hat ihren Ruf ruiniert

AUS SYDNEY URS WÄLTERLIN

Der neuseeländische Dollar hat am Montag wegen eines Lebensmittelskandals 1,5 Prozent an Wert verloren. Am Wochenende hatte der größte Milchprodukte-Exportkonzern der Welt Fonterra-Produkte zurückgerufen. Das Unternehmen warnte, dass Molke, die bereits im Mai letzten Jahres verarbeitet worden war, mit möglicherweise tödlichen Botulismus-Erregern verseucht worden sei. Es gebe bisher zwar keine Hinweise auf eine Erkrankung. Trotzdem rief Fonterra seine Handelspartner in China, Australien, Malaysia, Thailand, Vietnam und Saudi-Arabien auf, Produkte aus dem Verkauf zu nehmen. Betroffen sind vor allem Sportgetränke und Säuglingsmilch. Auch in Neuseeland selbst wurde Milchpulver aus den Regalen genommen.

Fonterra musste sich am Montag sowohl von Verbrauchern als auch von der neuseeländischen Regierung Kritik anhören, sie habe die Öffentlichkeit zu spät über die Verseuchung informiert. Premierminister John Key fragte, weshalb es so lange gedauert habe, bis Fonterra die vor über einem Jahr festgestellte Verunreinigung in einer Produktionsanlage publik gemacht hatte. „Wir werden den Informationsfluss untersuchen und welche Schritte Fonterra unternommen hat“. Das Problem gehe „an den Kern des Verbrauchervertrauens“.

Am Montag arbeiteten neun Minister an der Begrenzung des Schadens, den der Skandal für die neuseeländische Wirtschaft haben dürfte. Neben Tourismus ist die Herstellung von Milchprodukten für das Land die wichtigste Quelle von Exporteinkommen. Neuseeland verkaufte im letzten Jahr für 36 Milliarden US-Dollar Milchpulver, Butter und Käse ins Ausland. Fonterra exportiert in über 100 Länder.

Vor allem ein Rückgang des Absatzes von Produkten im Hauptmarkt China könnte für Fonterra langfristig verheerende Konsequenzen haben. Deshalb reiste Vorstandschef Theo Spierings eigens nach Peking, um sich in einer Pressekonferenz öffentlich zu entschuldigen. Peking verkündete am Montag trotzdem ein Importverbot einzelner Fonterra-Produkte. Neuseeland hat sich nicht zuletzt wegen der steigenden Nachfrage in China zu einer Art gigantischer Milchfarm entwickelt. Über 300.000 Kühe weiden auf neuseeländischen Wiesen. In China stammen fast 90 Prozent der Milchpulverimporte im Gesamtwert von 1,9 Milliarden US-Dollar aus Neuseeland, der Großteil von Fonterra. Viele Eltern waren nach einem Skandal mit einheimischer verseuchter Trockenmilch auf neuseeländische Produkte ausgewichen. Chinesische Hersteller hatten vor etwa fünf Jahren Melamin ins Milchpulver gemischt, was zum Tod von sechs Säuglingen und der Erkrankung von bis zu 300.000 Kindern führte.

Fonterra ist eine höchst rentable Genossenschaft der neuseeländischen Bauern. Der Umsatz im letzten Jahr lag bei knapp 14 Milliarden Euro, der Gewinn bei etwa 650 Millionen Euro. Diese Dividende erhalten die insgesamt 10.600 Genossenschaftsbauern zusätzlich zu den Erlösen für die Milch.