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Archiv-Artikel

Weiblich, jung, Geringverdienerin

Ob in den USA, England oder Frankreich: Meist sind es Frauen, die den Mindestlohn beziehen. Sie arbeiten oft in Privathaushalten oder Gaststätten

18 von 25 EU-Ländern habeneinen gesetzlichen Mindestlohn. In Frankreich etwa wurde erschon 1950 eingeführtIn den USA wurde der ohnehin niedrige Mindestlohn über Jahrzehnte kaum erhöht.Seit 1997 stagniert er

BERLIN taz ■ Das erste Land, das gesetzliche Mindestlöhne einführte, war Neuseeland im Jahr 1894. Die USA haben seit 1938 einen nationalen Mindestlohn. Als erstes europäisches Land gab sich Großbritannien 1908 Mindestlohnregeln.

Heute haben 18 von 25 EU-Staaten einen gesetzlichen Mindestlohn. Von den sieben EU-Ländern ohne Mindestlohn ist Deutschland das einzige, das keine flächendeckende Tarifbindung hat.

Einen internationalen Überblick zur Geschichte und Funktion von Mindestlöhnen zu geben, hat sich das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung mit der Studie „Mindestlöhne in Europa“ (und den USA) vorgenommen, die morgen in Berlin vorgestellt wird.

In Großbritannien wurde unter Premierminister Tony Blair 1999 ein neues Mindestlohnsystem eingeführt. Der national minimum wage wurde seit den 1980er-Jahren von den Gewerkschaften und dann auch von der Labour-Partei gefordert.

Sie reagierten damit darauf, dass seit 1979 der Anteil der tarifvertraglich bezahlten Beschäftigten stark zurückgegangen war. Als Labour mit Blair 1997 an die Macht kam, wurden Arbeitgeber, Gewerkschaften und Wissenschaftler in der low pay commission an der Findung eines idealen Mindestlohns beteiligt. Dieser lag zuerst mit 3,60 Pfund niedrig, stieg aber schnell an.

Gegenwärtig liegt der Satz für Erwachsene ab 22 Jahren bei 5,35 Pfund, das sind 7,50 Euro. Darunter gibt es noch einen Einstiegs- und einen Jugendlohnsatz.

Die Hälfte der Mindestlöhner sind teilzeitbeschäftigte Frauen. Die low pay commission gibt zu, dass sich der Mindestlohn besonders in der Bekleidungsindustrie und in Gaststätten schwer durchsetzen lässt. Ein Zusammenhang zwischen minimum wage und Arbeitslosigkeit ist bislang nicht nachweisbar. Doch könnte ein Ende des Wirtschaftswachstums auch mehr Arbeitslosigkeit unter Mindestlöhnern bedeuten.

In Frankreich wurde ein allgemeiner Mindestlohn schon 1950 eingeführt und 1968 stark erhöht. Der SMIC (salaire minimum interprofessionel de croissance) wächst automatisch mit der Preissteigerung. Derzeit beträgt der SMIC 8,03 Euro für Erwachsene, was bei einer 35-Stunden-Woche einem Bruttomonatslohn von 1.218 Euro entspricht.

Auch in Frankreich sind die meisten Niedriglöhner Frauen. Sie arbeiten vornehmlich in Privathaushalten und in der Landwirtschaft. Seit Mitte der 1990er-Jahre subventioniert die französische Regierung die Sozialbeiträge der Niedriglöhner, um die Arbeitskosten zu dämpfen.

Ein Zusammenhang insbesondere mit der hohen Jugendarbeitslosigkeit lässt sich nur schwer belegen. Doch will die Regierung von Dominique de Villepin jetzt das Wachstum des SMIC von den Löhnen abkoppeln.

In den USA wurde der ohnehin sehr niedrig angesetzte nationale Mindestlohn in den gesamten 1980er-Jahren nicht erhöht. Dadurch verlor er derart an Wert, dass er trotz einiger Erhöhungen in den 1990er-Jahren nicht wieder das Volumen vom Ende der 1960er-Jahre erreicht hat. Seit 1997 stagniert der nationale Mindestlohn bei 5,15 Dollar (4,17 Euro).

Wie in Europa sind die Mindestlöhner in den USA eher weiblich und eher jung. Sie arbeiten vor allem im Einzelhandel und in Gaststätten. Doch haben 14 Bundesstaaten bis zu 2,20 Dollar höhere Mindestlöhne, die wiederum regional überboten werden. Die living wage-Bewegung ist derzeit in den USA sehr erfolgreich. Bereits in 130 Städten liegt die untere Lohngrenze für Unternehmen, die mit der Kommune Geschäfte machen, wesentlich höher als der nationale Mindestlohn. ULRIKE WINKELMANN