AM URBANHAFEN
: Ahoi „Lady Toy“

Der Soundtrack dieses Abends war leise und unaufdringlich

Es war noch heiß am Abend, der Himmel hatte sich aber schon ein bisschen bewölkt, sodass man die Jalousien wieder hochziehen konnte. Ich hatte den Tag in Zeitlupe zu Hause verbracht; nur mittags hatte ich auf dem Winterfeldmarkt Matjessalat gekauft. Später war ich mir aber nicht ganz sicher, ob ich auch am Stand gewesen war, den mir ein Freund so sehr empfohlen hatte; der Matjessalat hatte jedenfalls nicht anders als sonst geschmeckt.

Dann war ich zum Urbanhafen gegangen und hatte den Künstler beobachtet. Der Künstler saß auf einem Steinblock und hatte ein Arrangement um sich aufgebaut. Rechts neben ihm lag ein Heizungsrohr. Vor ihm eine große ovale gelbe Frucht mit einem Gesicht. Und noch etwas Rotes, vielleicht ein Apfel. Und ein Musikabspielgerät. Er erinnerte mich an Davide Martello, den Pianisten vom Taksimplatz. Der Soundtrack dieses Abends war leise, komplett unaufdringlich und angenehm. Lange Zeit klang es wie Beatmusik aus den 60ern, dann Trance, dann indische Musik, dann türkische Musik.

Ein paar Meter neben mir saß eine junge Frau und trank Tomatensaft, vielleicht war es auch eine Bio-Chili-con-Carne. Sie schrieb die meiste Zeit in ein Notizbuch. Ab und zu veränderte ich meine Sitzposition oder lag auf dem Rücken und verfolgte die Vögel am Himmel mit meinem Blick.

Ein Boot hieß „Lady Toy“. Und wenn ein Ausflugsdampfer vorbeikam, gab es Wellen. Langsam ging ein älterer Mann auf dünnen Beinen vorbei. Er war hähnchenbraun, trug einen Tanga und sammelte Flaschen. Und später begann es, ganz sanft zu regnen. Morgens hatte ich noch „Raindrops Keep Falling On My Head“ gehört, und nun regnete es tatsächlich. Gleichzeitig schien die Sonne. Ich fuhr die Urbanstraße der Sonne entgegen, und hinter mir wird es einen Regenbogen gegeben haben.

DETLEF KUHLBRODT