: Nicht breit, sondern breiter aufgestellt
LANDLUFT II Die Hanffabrik Uckermark war bei ihrer Gründung in den neunziger Jahren ein wirtschaftliches Experiment. Inzwischen produziert sie jährlich 1.000 Tonnen Dämmstoffe – und keinerlei Genussmittel
Der Hanf streckt sich in den Himmel. Drei bis vier Meter hoch sind die Pflanzen, die sich auf den dicht bewachsenen Feldern im Wind bewegen. „Den Geruch mag ich sehr“, sagt Rainer Nowotny, Geschäftsführer der Hanffaserfabrik Uckermark. Vergleichen kann er den Duft, den die Pflanze mit den gefiederten Blättern verströmt, mit nichts anderem: „Es riecht wie Hanf.“
Seit 17 Jahren leitet Nowotny die Fabrik, die aus Hanfstängeln Dämmstoffe für den Hausbau produziert. 13 Mitarbeiter sind im Werk beschäftigt, das sich im Mai in eine Genossenschaft verwandelte. „Wir wollen breiter aufgestellt sein“, sagt der Chef, der Zusammenschluss mit Gleichgesinnten sei wichtig. „Wir arbeiten, werden nicht reich, sind aber zufrieden.“ Der Betrieb funktioniere ohne Subventionen. Kunden habe man nicht nur in Deutschland, sondern auch in Österreich und Belgien.
Bekanntlich ist die Pflanze mit dem lateinischen Namen Cannabis sativa auch zur Herstellung von Genussmitteln geeignet. Weil diese jedoch in Deutschland immer noch illegal sind, war der Start der Fabrik ein schwerer. Nur Hanfzüchtungen mit einem sehr geringen Gehalt der rauscherzeugenden Substanz THC dürfen angebaut werden. Das musste zertifiziert werden – wie, war damals die große Frage.
Der Ehrgeiz zahlt sich aus
Nowotny betrat Neuland: „Es gab keine rechtlichen Grundlagen für eine solche Fabrik“, erinnert er sich. Alles musste neu erarbeitet werden. Auch an Werkzeug und Maschinen fehlte es. Aber der Ehrgeiz zahlt sich aus: Außer in der Fabrik etablierten sich auch anderswo Arbeitsplätze, etwa in einem Prüflabor und in einem Laden für natürliches Baumaterial.
Die Böden der Uckermark eigneten sich gut für den Anbau, berichtet Nowotny, der selbst nur Hanfhemden trägt und gerne Hanftee serviert. In diesem Jahr hat er auf 300 Hektar Cannabis anbauen lassen. Ein Sprecher des Deutschen Hanf Verbands (DHV) sagt, Cannabis sei eine nachhaltige Nutzpflanze und habe als Baustoff gute Eigenschaften. Auch für die Verwendung von Hanf zu medizinischen Zwecken sei die Zustimmung in der Bevölkerung steigend.
Im Herbst werden die Stängel vom Feld geholt, als Ballen wie Stroh. In der Fabrik durchlaufen sie dann eine 100 Meter lange Maschine, in der sie gesäubert und zerkleinert werden. Am Ende wird der Rohstoff abgepackt. Unter Dielen geschüttet, dämpfen die trockenen Hanfstücke Schall, eine andere Firma stellt Lehmsteine damit her. Die Blätter bleiben derweil auf dem Acker und verbessern den Boden. „Bei uns fällt kein Müll an, außer der Joghurtbecher vom Frühstück“, sagt der Chef.
Einen Trend hin zu natürlichen Baustoffen kann das Institut für Bauen und Umwelt im Gegensatz zum DHV nicht sehen. Erkennbar sei aber, dass bei der Nutzung sehr energieintensiver Baustoffe und Rohstoffe ein Umdenken erfolge, sagt Burkhart Lehmann, Geschäftsführer des Instituts. „Es gibt Bemühungen, durch neue Techniken den Verbrauch von Ressourcen und Energie zu senken.“
Für ihre Produktion, bis zu 1.000 Tonnen Dämmstoffe jährlich, bezieht die Hanffabrik Strom von den eigenen Dächern. Nowotny ist eigentlich IT-Spezialist, in den Neunzigern suchte er eine neue Aufgabe. Mit Naturfasern hat er noch viel vor. Aus Schilf oder Seegras ließe sich noch einiges machen, betont er. „Die haben Potenzial zur Verarbeitung.“ Auch der Gedanke, aus Hanf einen feinen Faden zu spinnen, lässt ihn nicht los. „Vielleicht machen wir das noch.“ DPA, TAZ