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Archiv-Artikel

Ende einer Familienära

VERLEGER Acht Jahrzehnte lang bestimmte die Familie Graham das Schicksal der „Washington Post“

BERLIN taz | Die Washington Post war nicht immer eine politische Institution, deren Bedeutung über die Stadt- und die Landesgrenzen weit hinausging. Als die Zeitung 1877 von Silson Hutchins gegründet wird, kommt sie zunächst nicht in Gang, wird binnen 20 Jahren zweimal verkauft. 1933 ist sie endgültig pleite und wird öffentlich versteigert. Käufer: Eugene Meyer, ein kalifornischer Finanzmanager, der die Post für 825.000 Dollar erwirbt.

Als Meyer 1946 Weltbankpräsident wird, übernimmt sein Schwiegersohn Philip L. Graham die verlegerischen Geschäfte der Washington Post. Es ist der Beginn der Ära der Graham-Familie, die acht Jahrzehnte währen soll. Unter Graham expandiert die Washington Post, wird zum Unternehmen, erwirbt weitere Geschäftszweige, kauft Konkurrenten auf, wird größer.

Doch persönlich driftet Graham, der schon lange unter psychischen Problemen gelitten haben soll, immer mehr ab. Als er 1963 Selbstmord begeht, übernimmt seine Frau Katharine Graham die Geschäfte. Ihr bester Griff: 1965 stellt sie Benjamin C. Bradley als Chefredakteur ein. Der scheut sich 1971 nicht, die aus dem Verteidigungsministerium herausgeschmuggelten „Pentagon Papers“ zu veröffentlichen, auch als die New York Times in gleicher Sache schon von der Staatsanwaltschaft angegangen wird. Der Schritt begründet den Ruf mutigen Enthüllungsjournalismus, der sich nur verstärkt, als Washington-Post-Reporter den Watergate-Skandal aufdecken und Präsident Richard Nixon deshalb 1974 zurücktreten muss.

Im Jahr 1979 übernimmt Donald Graham, der Sohn von Katharine, die Verlagsgeschäfte, 1991 wird er auch Geschäftsführer. Im Jahr 1993 hat die Post mit 830.000 Exemplaren die höchste Auflage ihrer Geschichte, 1996 geht washingtonpost.com online.

Als Katherine Weymouth, die Enkelin von Katharine Graham, 2008 die verlegerischen Aufgaben übernimmt, ist die Auflage bereits im Sinkflug. In den Folgejahren kürzt die Post mehrfach ihren Haushalt, streicht Reporter- und Redakteursstellen. Post-Edelfedern drücken ihre Sorge darüber aus, die Zeitung könne ihrer Wächteraufgabe nicht gerecht werden. Die Onlinezugriffe steigen, doch erst spät entschließt sich die Post, eine Paywall einzuführen.

Die Familie Graham ist in Washington mehr als nur ein Zeitungsverleger, sie sind auch einflussreiche Persönlichkeiten. In ihren „Personal History“ benannten Memoiren beschreibt Katharine Graham sehr eindrücklich die Netzwerke der US-Hauptstadt. Der neue Besitzer der Washington Post, Jeff Bezos, gehört nicht dazu. Auch das ist das Ende einer Ära. BERND PICKERT