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Archiv-Artikel

Die Mitarbeiter sind optimistisch

ZEITUNGSKRISE Börsengehandelte Unternehmen sind kein Platz für Journalismus, sagt Verlegerin Weymouth. Käufer Bezos will sich nicht ins Tagesgeschäft einmischen

VON BERND PICKERT

BERLIN taz | Es ist das Ende einer Ära, aber nicht das Ende einer Zeitung: Die Washington Post, das 1877 gegründete Blatt aus der US-Hauptstadt, wird nach acht Jahrzehnten im Familienbesitz verkauft. Neuer Besitzer wird Jeffrey P. Bezos, 48, Gründer und Eigner des weltgrößten Internethändlers Amazon.

250 Millionen US-Dollar zahlt Bezos. Das ist zwar nur ein Bruchteil dessen, was die Zeitung noch vor 15 Jahren wert gewesen wäre. Aber es ist immer noch mehr Geld, als etwa für den Boston Globe gezahlt wurde, der vor ein paar Wochen von der New York Times Company für 70 Millionen Dollar an den Besitzer von Boston Red Sox überging. Oder als der Symbolbetrag von 1 Dollar, den Milliardär Sidney Harman 2011 für Newsweek bezahlte.

Schon seit einiger Zeit, berichtet Post-Verlegerin und Geschäftsführerin Katherine Weymouth, jüngste Vertreterin der Graham-Familie, habe sie mit ihrem Onkel Donald Graham darüber diskutiert, ob ein börsennotiertes Unternehmen wie die Washington Post Company, bei der die Grahams Mehrheitseigner sind, eigentlich für eine Zeitung noch die richtige Adresse sei: „Wenn Journalismus eine Mission ist, dann ist ein börsengehandeltes Unternehmen kein guter Platz angesichts des ganzen Drucks, Kosten zu senken und Profite zu erwirtschaften.“ Im Jahr 2012 trug die Zeitung mit einem Umsatz von 582 Millionen US-Dollar zum Ergebnis des Unternehmens bei – erwirtschaftete aber einen operativen Verlust von rund 53 Millionen US-Dollar.

Das Problem der Washington Post ist das vieler Printmedien: Die verkaufte Auflage sinkt seit Jahren – allein im ersten Halbjahr 2013 um sieben Prozent – und die einst so lukrativen Einnahmen aus dem Anzeigenverkauf sind ins Bodenlose gesunken und werden durch steigende Erlöse im Digitalbereich nicht wettgemacht. Verkaufte die Post 1993 wochentags eine Rekordauflage von rund 830.000 Exemplaren und knackte an Sonntagen oft die Eine-Million-Marke, so liegt die Auflage jetzt bei rund 475.000. Allein in den letzten zwei Jahren verlor das Blatt fast 200.000 LeserInnen.

In einer Stellungnahme kündigt Bezos an, die bisherige Führungsstruktur unangetastet zu lassen. Weymouth soll Verlegerin und Geschäftsführerin bleiben. Auch von Stellenkürzungen sprach Bezos nicht, allerdings von Veränderungen in den kommenden Jahren, ohne diese jedoch genau zu benennen. Er glaube nicht daran, dass gedruckte Zeitungen in 20 Jahren noch existierten, hatte Graham an anderer Stelle zu Protokoll gegeben. „Es gibt keinen fertigen Plan, und der Weg wird nicht einfach sein. Wir werden Dinge erfinden müssen, und das heißt, wir werden experimentieren müssen. Unser Ausgangspunkt dabei werden die Leser sein.“

Journalismus spiele in einer freien Gesellschaft eine Schlüsselrolle – und er habe nicht vor, die Werte, für die die Zeitung stehe, zu verändern. „Die Zeitung wird weiterhin ihren Lesern verpflichtet sein, nicht den Privatinteressen ihrer Besitzer. Wir werden weiterhin die Wahrheit suchen“, und die beiden Grundüberzeugungen der Familie Graham, saubere Recherche und Mut zur Veröffentlichung, werde erhalten bleiben. Er selbst wolle sich ins Tagesgeschäft nicht einmischen, er habe „im anderen Washington“, also am Amazon-Firmensitz in Seattle im Bundesstaat Washington, genug zu tun.

Während aus anderen Medien Misstrauen über Bezos’ Interessen zu hören war („Zeitungen – die neuen Trophäen der Milliardäre“ titelte die New York Times), kommentierten prominente Post-Mitarbeiter den Verkauf mit Optimismus. Carl Bernstein, der Anfang der 1970er Jahre gemeinsam mit Bob Woodward als Washington-Post-Reporter den Watergate-Skandal aufgedeckt hatte, erklärte gegenüber dem Wall Street Journal: „Jeff Bezos scheint mir genau die erfindungsreiche und innovative Wahl zu sein, die eine Wiederhinwendung zu großem Journalismus möglich macht, so wie viele von uns das gehofft haben.“

Andere betonen, Bezos sei durch sein langfristiges strategisches Denken bekannt – und da er die Zeitung als Privatperson erwirbt, nicht etwa für Amazon oder ein anderes, ebenfalls börsennotiertes Unternehmen, sei nicht zu erwarten, dass er auf kurzfristige Profite setze. Das gebe Luft, die Zeitung ohne Druck auf die Zukunft auszurichten. Wie auch immer die für ein Traditionsmedium heute aussieht.