Chancen für ersten NPD-Bürgermeister

In einem sächsischen Dorf könnte bald ein NPD-Kandidat zum Bürgermeister gewählt werden. Ein NPD-Bürgerbegehren stoppte eine Gemeindefusion, die die Wahl verhindert hätte. Möglich macht dieses indirekt die zerstrittene Union

AUS REINHARDTSDORF-SCHÖNA MICHAEL BARTSCH

Im idyllischen Reinhardtsdorf-Schöna in der Sächsischen Schweiz könnte am 23. April der erste NPD-Bürgermeister in Deutschland gewählt werden. Am vergangenen Wochenende hatte ein von der NPD initiierter Bürgerentscheid Erfolg. Bei reger Wahlbeteiligung votierten 93 Prozent der 1.380 Einwohner für eine Selbständigkeit der Gemeinde, in der jetzt ein NPD-Kandidat antreten kann.

Das Dorf war schon bei den sächsischen Landtagswahlen 2004 bundesweit bekannt geworden. Mit 23,1 Prozent verzeichnete die NPD hier ihren höchsten Stimmenanteil. Einen beträchtlichen Teil der NPD-Stimmen zog damals der im Dorf populäre Installateurmeister Michael Jacobi, als er von den Freien Wählern zu den Rechten wechselte. Die Bürger, allen voran Bürgermeister Arno Suddars (CDU), versuchten damals, sich gegen das Nazi-Image des Ortes zu wehren. Nun ist es ungewollt ausgerechnet dieser Bürgermeister, der der NPD die nächste Chance bietet. Mit 68 Jahren erreicht er die in der sächsischen Gemeindeordnung vorgeschriebene Altersgrenze und muss abtreten. Der Union fürchtet jetzt einen ähnlich starken NPD-Kandidaten wie Michael Jacobi, bei dessen Wahl wohl seine Popularität ausschlaggebend war.

Verhinderungsplan A des CDU-Kreisvorsitzenden Michael Geisler bestand darin, den Ort einfach mit dem nahegelegenen Bad Schandau zu fusionieren. Damit würde die Bürgermeisterwahl in Reinhardtsdorf-Schöna überflüssig. Seit 2002 besteht ohnehin eine Verwaltungsgemeinschaft zwischen beiden Gemeinden. Doch ein entsprechender Beschluss der CDU-Mehrheit im Gemeinderat gab wiederum der NPD eine Vorlage für ihr Bürgerbegehren. Das forderte Selbständigkeit der Gemeinde und stieß jenseits der Parteisympathien auf breite Resonanz.

Als das Ergebnis des am Sonntag erfolgreichen Bürgerentscheids schon absehbar war, setzte die Linkspartei.PDS auf Plan B: Sie präsentierte mit dem Gastwirt Roland Ehrlich einen überparteilichen Kandidaten. Heute wird er offiziell nominiert. Nachdem sich Linkspartei-Kreisvorsitzender André Hahn schon mit CDU-Landrat Geisler über Ehrlichs Kandidatur geeinigt hatte, stoppte die zerstrittene Union ihre Unterstützung des gemeinsamen Kandidaten. Stattdessen präsentierte sie einen eigenen Kandidaten Klaus Heidrich, Ex-Bürgermeister von Bad Schandau und Fusionsbefürworter, der aber nun chancenlos sein dürfte.

Aus allen nun denkbaren Konstallationen kann die NPD Kapital schlagen. Stellt sie bis zum 27. März einen eigenen Kandidaten auf, kann sie zumindest einen Achtungserfolg erzielen und einen zweiten Wahlgang erzwingen. NPDler Jacobi hat allerdings bislang mit einer kuriosen Begründung abgelehnt: „Ein NPD-Bürgermeister würde dem Image des Ortes nur schaden!“ Uwe Leichsenring betont die Autonomie der NPD-Ortsgruppe, wird aber selbst als Kandidat gehandelt. Laut Leichsenring bietet die Bürgermeisterwahl eine große Chance für seine Partei: „Wir können die anderen doch zappeln lassen und vor uns hertreiben!“, sagt Leichsenring, der auch für die NPD im Landtag sitzt.

Ebenso denkbar ist eine NPD-Unterstützung für den unabhängigen Kandidaten Ehrlich. Auch das brächte künftig Pluspunkte. Die Bewohner des Touristenortes Reinhardtsdorf-Schöna gelten als extrem konservativ und entscheiden über Parteien hinweg je nach unmittelbarer Interessenvertretung und Popularität der zur Wahl stehenden Person. Das lässt am 23. April alles möglich erscheinen, auch wenn im Gespräch niemand so recht an einen NPD-Bürgermeister glauben will.