: Ist ein Veggie Day geboten?Ja
GENUSS Zu viel Fleisch ist nicht gut für Mensch, Tier und Umwelt. Aber der Verzicht fällt schwer. Nun fordern die Grünen: weniger Kantinenschnitzel!
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Renate Künast, 57, ist Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen
Gutes Essen geht auch ohne Fleisch. Ein vegetarischer Kantinentag ist eine Gelegenheit, das auszuprobieren. Ich finde: Fleisch in Maßen statt in Massen ist der richtige Weg. Wir essen doppelt so viel Fleisch wie von Ernährungsexperten empfohlen. Das gefährdet die Gesundheit und bedeutet Massentierhaltung. Es gefährdet die weltweite Ernährungssicherheit und belastet Umwelt und Klima. Wir wollen das vegetarische Angebot in Kantinen attraktiver machen. Dreißig deutsche Städte beteiligen sich bereits am Veggie Day. Laut einer Studie der Universität Hohenheim sind 60 Prozent der Deutschen bereit, weniger Fleisch zu essen. Wir wollen nicht nur reden, sondern auch was tun. Oder?
Sonya Kraus, 40, ist Fernsehmoderatorin und engagiert sich für den Tierschutz
Würde ich mich gehen lassen, wäre Fleisch mein Gemüse. Als Twen habe ich mich dennoch knapp zwei Jahre vegetarisch ernährt, nur um dem Duft einer Berliner Currywurstbude zu erliegen. Der Rückfall machte klar: Ich bin Allesfresser. Ich weiß jedoch, dass Fleisch nur zweimal die Woche auf den Tisch gehört und bewusst genossener Luxus sein muss, wenn man fit die Rente erreichen will. Doch Fleisch verkommt zum Massenprodukt, das teilweise günstiger als Obst und Gemüse angeboten wird. Ein Veggie Day, unterstützt von einer ernährungswissenschaftlichen Aufklärungskampagne, wäre daher nicht nur ein Beitrag zum Umweltschutz, sondern auch eine gesundheitspolitische Notwendigkeit.
Jens Böhrnsen (SPD), 62, hat als Bremer Bürgermeister 2009 den Veggie Day eingeführt
Ein Tag ohne Fleisch spart CO2 und schont langfristig Ressourcen. Weniger Fleisch essen senkt das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, bewusste Esskultur fördert den Trend zu regionalen und saisonalen Lebensmitteln – genau diesen Zielen soll ein fleischloser Tag pro Woche dienen. Das Ernährungskonzept von „KiTa-Bremen“ beinhaltet ein vegetarisches Gericht in der Woche. Auch Krankenkassen, Umweltverbände, Krankenhäuser und Seniorenheime beteiligen sich am Veggie Day. Die Idee kam von der Bürgerstiftung Bremen: Das Konsumverhalten der VerbraucherInnen hat Gewicht.
Tarik Rose, 41, ist Küchenchef und moderiert die Sendung „Beef Buddies“ auf ZDFneo
Fleisch ist wichtig für meine Ernährung. Ich bin nur besorgt über die Entwicklung in der Fleischindustrie. Der nächste Skandal steht bestimmt schon vor der Tür, deshalb ist der nachhaltige Umgang mit Ressourcen wichtig. Kein Mensch braucht täglich Fleisch! Eine gesunde Ernährung sollte immer ausgewogen sein. Deshalb bin ich für den Veggie Day in öffentlichen Einrichtungen und Kantinen.
Nein
Rainer Brüderle, 68, ist Vorsitzender der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag
Der Staat soll Beamte bezahlen, damit sie Gesetze überwachen, die allen im Lande einen fleischlosen Tag verordnen? Wenn es den Grünen nicht ernst damit wäre, müsste man darüber lachen. Statt sich um die Konsolidierung der Haushalte, die Energiewende und die Zukunft Europas zu kümmern, wird der tägliche Speiseplan staatlich verordnet. Weil aus Sicht der Grünen die Menschen zu dumm sind, selbst zu entscheiden, was gut für sie ist. Jeder Gastwirt darf Fleisch anbieten, jede Kantine auch. Niemand muss Fleisch essen, aber jeder darf es, wann, so oft und wo er will.
Attila Hildmann, 32, lebt vegan und hat fünf Kochbücher veröffentlicht
Natürlich wäre es gut, wenn sich die Menschen bewusster ernähren würden. Deutschland ist aktuell das fetteste Land Europas. Massentierhaltung findet keiner von uns cool. Aber das Ganze als „Muss“? Wenn man einen Bockwurst- oder Dönertag einführen würde, würde ich als Normalesser an diesen Tagen genau das nicht essen wollen, einfach aus Protest. Man muss das „Muss“ beim Vegetarismus rausnehmen. Ich animiere die Menschen, diese genussvolle, bunte Küche selbst auszuprobieren. Durch köstliche Rezepte und purzelnde Pfunde kommt die Motivation von allein. Es ist besser, selbst zu entscheiden, sich etwas Gutes zu tun und die Umwelt wie Tierleben zu verschonen.
Dieter Berlingen, 46, ist Leiter von insgesamt 14 Kantinen des Bayer-Konzerns
In unseren Mitarbeiterrestaurants bieten wir jeden Tag eine Vielzahl an unterschiedlichen Gerichten an. Dazu gehört auch mindestens ein vegetarisches Hauptgericht, eine große Auswahl an Gemüsen sowie ein reichhaltiges und abwechslungsreiches Salatbuffet. Wer sich in unseren Mitarbeiterrestaurants vegetarisch ernähren möchte, kann dies täglich tun. Indessen wollen wir auch, dass unsere mündigen Gäste selbst entscheiden können, ob sie sich fleischlos ernähren. Mit einem vorgeschriebenen Veggie Day könnten wir ihnen diese Wahl leider nicht mehr ermöglichen.
Julia Reiter, 26, ist taz-Leserin und hat unseren Streit per Mail kommentiert
Ich lebe seit Jahren vegan, Tierhaltung und Tiertötung finde ich unmoralisch, unwirtschaftlich und aus ökologischer Sicht katastrophal. Trotzdem bin ich gegen den Veggie Day. Ich glaube nicht, dass das vegetarische Kantinenessen bei der Jahresfleischbilanz ins Gewicht fällt. Entweder der lokale Imbiss profitiert oder Mensch kompensiert das „fehlende“ Fleisch durch Frustsalamis. Außerdem bedeutet die Zustimmung zum Veggie Day auch, die sechs anderen, nichtvegetarischen Wochentage gutzuheißen. Das tue ich aber nicht.