: Netanjahu droht mit Verzögerung der Gespräche
NAHOST Netanjahu warnt vor Baustopp als Bedingung für Verhandlungen. Treffen mit Präsident Obama
AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL
Israels Premierminister Benjamin Netanjahu schiebt den Palästinensern den Schwarzen Peter zu. Sollte die PLO nicht von ihrer Forderung auf einen kompletten Baustopp in den Siedlungen abrücken, könne der Friedensprozess um ein weiteres Jahr verzögert werden, warnte er. Rund eineinhalb Stunden beriet Netanjahu – in zwei Runden – in der Nacht zu Mittwoch im Weißen Haus mit US-Präsident Barack Obama. Die Ergebnisse der beiden „in guter Atmosphäre“ geführten Gespräche, wie aus der Premiersloge in Jerusalem verlautete, wurden nicht veröffentlicht.
Zusätzlichen Zündstoff für Netanjahus ohnehin schwierigen Besuch im Weißen Haus lieferte die Nachricht von der Baugenehmigung für 20 neue Wohneinheiten in dem Ostjerusalemer Viertel Scheich Djarrach auf dem umstrittenen Gelände des Shepherd-Hotels. Der Streit über Israels Siedlungsbau in Ostjerusalem hatte Obama bis kurz vor Netanjahus Abreise mit der Entscheidung zögern lassen, ob er den israelischen Premierminister überhaupt empfangen würde. Ein völlige Brüskierung kam aber offenbar, solange die Iranfrage ungeklärt ist, für Präsident Obama nicht in Frage.
Ähnlich wie während des Besuchs von US-Vizepräsident Joe Biden, als Netanjahu von der Baugenehmigung für 1.600 Wohnungen in einer Ostjerusalemer Siedlung „überrascht“ worden war, traf ihn das Startzeichen für den Bau auf dem Gelände des Shepherd-Hotels erklärtermaßen unvorbereitet. Um peinliche Zwischenfälle dieser Art künftig zu vermeiden, ließ das Innenministerium in Jerusalem sämtliche Sitzungen des regionalen Bau- und Wohnungskomitees auf unbestimmte Zeit verschieben. Das Komitee entscheidet in letzter Instanz über die formale Prozedur, die für den Baubeginn notwendig ist.
Im Fall des Shepherd-Hotels hätte die Entscheidung des Innenministeriums indes wenig bewirkt. „Der Bau für die 20 Wohnungen in Scheich Djarrach ist schon vor einem halben Jahr genehmigt worden“, erklärt Chaim Ehrlich von der Organisation Ir Amim, die „Stadt der Völker“, die sich für ein „stabiles und gerechtes Jerusalem“ starkmacht. Um den Abriss des Shepherd-Hotels möglich zu machen, „mussten lediglich eine Reihe formaler Anforderungen erfüllt werden, wie die Entrichtung von Gebühren“.
Saeb Erikat, palästinensischer Chefunterhändler bei früheren Friedensverhandlungen, reagierte mit verblüffter Frustration über den geplanten Neubau in Scheich Djarrach. „Der internationale Unmut über Israels Entscheidungen wächst“, meinte Erikat, der glaubt, dass der Siedlungsbau gestoppt werden könnte, „vorausgesetzt, Israel meint es ernst mit Verhandlungen“.
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