: Wohnen in der Kommune
Die nordrhein-westfälischen Kommunen wollen ihre Immobilien nicht verkaufen. Unterstützung kommt von der Opposition im Landtag. RAG-Konzern und Landeregierung fordern Privatisierung
VON HOLGER PAULER
Die Opposition warnt die Städte an Rhein und Ruhr davor, sich von ihren Immobilien zu trennen. „Wir müssen alles tun, dies zu verhindern“, sagte der ehemalige NRW-Verkehrsminister Axel Horstmann (SPD) zur taz. Als Mitglied des Bauausschusses im Landtag warnt er vor Privatisierungen öffentlichen Eigentums. Horstmanns Parteikollege Burkhard Drescher hatte in seiner Funktion als Vorstandsmitglied der RAG-Immobilien AG die Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen aufgefordert, sich von ihren Besitztümern zu trennen. „Das Immobilienvermögen der Städte ist totes Kapital“, sagte Drescher in der WAZ. Auch die Mittelstandsvereinigung der CDU unterstützt den ehemaligen Oberbürgermeister der Stadt Oberhausen (siehe Interview). Der RAG-Konzern will sich von 22 Gebäuden an neun Standorten trennen.
Vergangene Woche hatte die Stadt Dresden die Wohnungsbaugesellschaft WOBA mit ihren 48.000 Wohnungen an den US-Finanzinvestor Fortress verkauft. 1,7 Millionen Euro brachte der Deal ein. Die Stadt könnte sich damit komplett entschulden. Die Reaktionen in den NRW-Kommunen sind eindeutig: Die von der CDU regierte Stadt Essen hält das Vorgehen für „nicht akzeptabel“. „Ein Verkauf von Tafelsilber kommt nicht in Frage“, heißt es aus dem SPD-regierten Dortmund. Andere Großstädte wollen dem Dresdener Weg ebenfalls nicht folgen. Der Direktor des Verbandes der Wohnungswirtschaft, Burghard Schneider, sprach sogar von einem „Sündenfall“.
„Wir erleben gerade eine Trotzreaktion der Städte und Gemeinden“, sagt Helmut Lierhaus, Sprecher des Mieterforums Ruhr. Die Vertreter der Kommunen hätten der Vorgehensweise der Dresden entschieden widersprochen. Seiner Meinung sei es wichtig, dass es auch in Zukunft weiterhin öffentlichen Wohnraum gebe. „Gerade sozial schwache Mieter sind darauf angewiesen“, so Lierhaus.
Dabei wurde NRW bereits von einer Privatisierungswelle überschwemmt. Fortress übernahm im Jahr 2004 für 3,4 Milliarden Euro die Essener Immobilienfirma Gagfah mit ihren 80.000 Wohnungen. Thyssen-Krupp verkaufte für 2,1 Milliarden Euro 48.000 Werkswohnungen an die US-Bank Morgan Stanley und die Sparkassen-Tochter Corpus-Gruppe. Die Deutsche Annington kaufte dem Düsseldorfer Eon-Konzern für sieben Milliarden Euro die Immobilientochter viterra ab – 152.000 Wohnungen, die Hälfte davon in NRW, wechselten den Besitzer.
„150.000 Mieter sind landesweit derzeit von Fonds abhängig“, sagt der Deutsche Mieterbund in NRW. Ziel der Fondsgesellschaften sei es, die Wohnungen langfristig weiter zu verkaufen – auf Kosten der Mieter. Momentan läuft ein Ausschreibungsverfahren zur Bewertung der nordrhein-westfälischen Landesentwicklungsgesellschaft (LEG). Die schwarz-gelbe Landesregierung hatte im Koalitionsvertrag angekündigt, die LEG mittelfristig privatisieren zu wollen. Am Ende könnte der Verkauf von 106.000 Wohnungen stehen.
„Das Land plant, sich aus der Wohnungspolitik zurück zu ziehen“, so Axel Horstmann. Neben der Privatisierung von öffentliche geförderten Wohnungen steht auch eine Verschärfung des Mieterschutzes in NRW an: Die Kündigungssperrfrist wird gelockert. Langfristig zahle sich es nicht aus. „Es wird immer Mieter geben, die auf günstigen, sozialen Wohnraum angewiesen sind. Die Städte müssen darauf zugreifen können“, sagt Horstmann.