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Archiv-Artikel

„Sarrazin muss den weißen Ritter spielen“

Weil Schering unterbewertet ist, glauben SPD-Bundestagsabgeordnete, dass das Pharmaunternehmen auf jeden Fall verkauft wird. Nationale Politik sei fast machtlos angesichts globaler Bedingungen, meint Klaus Uwe Benneter (SPD)

taz: Herr Benneter, es war zu lesen, dass die Bundes-SPD die Übernahme von Schering durch den Konkurrenten Merck unterstützt. Wie sehen Sie das als Berliner Bundestagsabgeordneter?

Klaus Uwe Benneter: Das ist so nicht richtig. Es gibt kein Votum, dem zufolge die Bundes-SPD will, dass Schering an Merck geht. Die Kollegen haben lediglich darauf hingewiesen, dass es – sofern der Verkauf auf jeden Fall stattfindet – unter nationalen Gesichtspunkten besser wäre, wenn Schering an Merck ginge anstatt an einen internationalen Investor mit kurzfristigen Geldinteressen.

Das hört sich dennoch so an, als ginge die SPD davon aus, dass Schering auf jeden Fall gekauft wird. Warum?

Weil Schering am Kapitalmarkt unterbewertet ist. Das ruft alle auf den Plan, die ein Schnäppchen machen wollen.

Sehen Sie diese Zwangsläufigkeit auch?

Sicher. Wenn Berlin unter Arbeitsplatzgesichtspunkten jetzt mitreden und das Unternehmen in Berlin halten will, muss der Berliner Finanzsenator selbst den weißen Ritter spielen und das Unternehmen kaufen.

Weißer Ritter wird an den Finanzmärkten jemand genannt, der bei einer geplanten feindlichen Übernahme dem Übernahmekandidaten zu Hilfe kommt. Ist das aus Ihrer Sicht die einzige Option für Berlin?

Es wäre immerhin eine. Dann könnte Berlin wieder mitreden. Die andere Option hat der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit sofort wahrgenommen. Er ist auf Merck zugegangen, um darüber zu reden, wie die 6.000 Arbeitsplätze in Berlin gesichert werden können.

Was kann die Politik tun, damit Schering nicht feindlich übernommen wird?

Unter den heutigen globalen Bedingungen hat die Politik wenig Möglichkeiten. Wir können keine Kapitalkontrollen einführen.

Zurück zur lokalen Plattform: Was bedeutet es für den Standort Berlin, wenn Schering verkauft wird?

Das wäre eine schlechte Nachricht für die weitere wirtschaftliche Entwicklung der Stadt, weil Schering eines der letzten großen Unternehmen mit Sitz in Berlin ist. Damit würden der Stadt auch Steuereinnahmen wegbrechen. Wenn man das berücksichtigt, muss man sich doch überlegen, ob Sarrazin nicht den weißen Ritter spielt.

Wäre das denkbar?

Was heißt denkbar? Das Geld hat der Senat nicht. Er müsste es sich am Kapitalmarkt holen. Das würde die Klageaussicht vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe auf Bundeshilfen vermutlich schmälern. Aber nur wenn der Senat selbst kauft, kann Berlin mitreden. Denn selbst wenn Schering nun in den Besitz von Merck überginge, wäre ein Weiterverkauf nicht ausgeschlossen.

INTERVIEW: WALTRAUD SCHWAB