Das war’s dann mit der Quälerei

TENNIS Die 28-jährige Marion Bartoli hört einen guten Monat nach ihrem Wimbledon-Triumph auf

„Ich kann nicht mehr, nach einem Match tut mir alles weh. Nach spätestens einer Stunde Tennis kommen die Schmerzen“

MARION BARTOLI

Zur Ruhe kam Marion Bartoli in den Stunden nach ihrem überraschenden Rücktritt nicht: „Hallo an alle, es ist 4.55 Uhr morgens, ich kann natürlich nicht schlafen, lese eure Nachrichten und habe Tränen in den Augen“, twitterte sie: „Danke für eure Liebe.“

Es war auch eine „dicke Umarmung“ von Sabine Lisicki dabei, ihrer unterlegenen Gegnerin im Wimbledonfinale. „Du hattest eine unglaubliche Karriere und hast deinen Traum Wirklichkeit werden lassen“, twitterte die Berlinerin: „Ich wünsche dir nur das Beste, Mädchen. Viele Erinnerungen werden bleiben.“

Das Ende war ganz unspektakulär und damit durchaus nach dem Geschmack von Marion Bartoli. „Das war mein letztes Match“, sagte die 28-jährige Französin nach ihrer Auftaktniederlage gegen die Rumänin Simona Halep in Cincinnati: „Ich habe ganz deutlich gespürt, dass es der richtige Zeitpunkt ist. Mein Körper kann nicht mehr.“

Noch keine sechs Wochen ist es her, da kniete Bartoli auf dem heiligsten Grün des Tennis und ließ sich feiern. „Alles lief ganz langsam vor meinen Augen ab. Ich sah den Ball fliegen, dann den Staub der Linie aufsteigen. Es war ein Ass, und ich wusste: Ich habe Wimbledon gewonnen“, erzählte sie nach dem 6:1, 6:4 im Finale gegen Lisicki später.

Und nun soll alles vorbei sein? „Ja, ich kann einfach nicht mehr, nach einem Match tut mir alles weh.“ Die Achillessehne, die Schulter, der Rücken: „Nach spätestens einer Stunde Tennis kommen die Schmerzen.“ Dennoch sei ihr die Entscheidung keinesfalls leichtgefallen: „Ich habe jahrelang nur Tennis gespielt, aber ich musste schon die allerletzten Grenzen meines Körpers verschieben, um mir meinen Kindheitstraum in Wimbledon zu erfüllen.“ Die unorthodox spielende Rechtshänderin mit dem langen Zopf und dem IQ von 175 wurde im All England Club für endlose Jahre harter Arbeit belohnt. 47-mal musste die Französin mit der beidhändigen Vor- und Rückhand an einem Major-Turnier teilnehmen, um endlich ganz oben zu stehen. Mehr Zeit hat bislang noch keine Spielerin für ihren ersten Triumph bei einem der vier großen Turniere benötigt. Insgesamt gewann Bartoli acht WTA-Turniere, weitere elf Mal stand sie im Finale. Sie kassierte mehr als 11 Millionen US-Dollar Preisgeld, seitdem die Rechtshänderin 2000 in den Profizirkus aufgestiegen war.

Erst Anfang 2013 hatte sich „Madame Einstein“ von ihrem dominanten Vater losgesagt. Der Arzt hatte seine Tochter als Autodidakt mit unkonventionellen Trainingsmethoden an die Weltspitze geführt. Walter Bartoli war es stets wichtig, dass die vollschlanke Marion kein Gramm an Gewicht verliert, die Kraft für ihr Powertennis hätte ja abhandenkommen können. Erst Frankreichs Fed-Cup-Teamchefin Amelie Mauresmo löste den Knoten bei der 28-Jährigen. „Hart zu arbeiten und Spaß zu haben, das schließt sich ja nicht aus“, sagte Mauresmo.

Marion Bartoli, so viel ist sicher, wird auch in ihrem neuen Leben ihren Platz finden. Einen echten Plan dafür, was sie künftig machen will, hat sie zwar noch nicht, aber: „Es gibt so vieles außer Tennis. Ich will nur erst ein bisschen zur Ruhe kommen und dann überlegen.“ Am 2. Oktober wird Marion Bartoli 29, und auch Mutter zu werden kann sie sich gut vorstellen: „Aber ich will sorgfältig über alles nachdenken, ehe ich mich entscheide.“

Es ist übrigens nicht der Wimbledonsieg, der sie im Rückblick auf ihre Karriere mit dem meisten Stolz erfüllt. Sie sei sich selbst immer treu geblieben, ehrlich, aufrichtig, loyal zu ihrem Team, ihren Freunden, den Menschen, die sie begleitet haben: „Ich glaube, wenn man diese Leute fragt: Wie ist Marion Bartoli denn so?, werden sie antworten, ‚Sie ist ein netter Mensch‘. Das macht mich stolz.“ TAZ