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Archiv-Artikel

Die verdächtige Bevölkerung KOMMENTAR VON BETTINA GAUS

Gut, dass es Profis gibt, die sich mit Gefahrenabwehr auskennen. Laien neigen zur Vertrauensseligkeit. Sie würden kein Sicherheitsproblem erkennen, wenn der Kellner beim Servieren die Diktatur als höchste Regierungsform priese, die Toilettenfrau ein Flugblatt mit dem Lob des Islamismus verteilte und der Sportreporter nach jedem Tor laut riefe: „Nieder mit dem Grundgesetz!“ Normale Leute fänden so ein Verhalten zwar bescheuert, aber sie hielten weder den Fortbestand der Republik noch die Fußballweltmeisterschaft für gefährdet. Man muss offenbar Sicherheitsexperte sein, um das anders zu sehen.

Es ist nicht leicht, die Pläne für die Sicherheitsüberprüfung der Mitarbeiter bei der Fußballweltmeisterschaft ohne Sarkasmus zu betrachten. 250.000 Helfer, von der Putzfrau bis zum Platzanweiser, sollen auf ihre Zuverlässigkeit hin überprüft werden. 250.000! So schlimm kann die Personalnot der staatlichen Sicherheitsbehörden nicht sein, wenn dafür Kapazitäten frei sind.

Die Bundeswehr wird für diesen Großeinsatz gar nicht gebraucht, obwohl doch der Prüfauftrag weit gefasst ist: Nicht nur potenzielle Gewalttäter sollen herausgefiltert werden, sondern eben auch Leute, denen zugetraut wird, unerwünschte Propaganda zu verbreiten. Die muss nicht einmal strafbar sein. Wenn die Terroristenabwehr keine anderen Sorgen hat, können wir ja alle sehr gelassen sein.

Der Vorgang ist grotesk. Aber lustig ist er nicht. Vor allem nicht für die Betroffenen. Das Ergebnis der Überprüfung bekommen nicht sie zu sehen, sondern ihre Arbeitgeber. Sie müssen also um ihren Arbeitsplatz bangen, ohne auch nur den Versuch unternehmen zu können, Vorwürfe zu widerlegen. Da empfiehlt sich Wohlverhalten. Aber was genau ist das? Darf ein Rettungssanitäter eigentlich die Politik von US-Präsident Bush für falsch halten? Wer weiß.

Eine solche Sicherheitsüberprüfung kann nur jemand gutheißen, der in allen Bürgerinnen und Bürgern zunächst und vor allem Verdächtige sieht. Dieses Menschenbild widerspricht dem Geist des Grundgesetzes. Die Urheber der Pläne sollten auf ihre Zuverlässigkeit hin überprüft werden.