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Archiv-Artikel

Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

In der deutschen Nationalversammlung saßen Abgeordnete aus Posen, Triest, Dänemark, Österreich – eine Multikultibude. Dagegen wäre ein Ausländerwahlrecht im heutigen Kleindeutschland harmlos

Gegen die kontinuierliche politische Kultur in Frankreich kann man die deutsche obrigkeitshörig nennen – oder Standortvorteil

taz: Was war schlecht in der vergangenen Woche?

Friedrich Küppersbusch: Rumsfelds Vergleich des glorios befriedeten Irak mit Nazi-Deutschland.

Was wird besser in dieser?

Geständnischarakter der Äußerung Rumsfelds fällt beim zweiten Lesen auf.

Hessens Innenminister Bouffier hat einen neuen Integrationstest mit 100 Fragen ins Rennen geschickt. Gefragt wird unter anderem: Welche Versammlung tagte im Jahr 1848 in der Frankfurter Paulskirche? Und, klingelt’s?

Antwortvorschlag zum Auswendiglernen: „In der deutschen Nationalversammlung saßen Abgeordnete aus Posen, Triest, Dänemark, Österreich – eine Multikultibude aus zeitgenössischer Sicht. Dagegen wäre ein Ausländerwahlrecht im heutigen Kleindeutschland harmlos. Österreich und Preußen ließen die friedliche Einigung auf dem Verfassungswege scheitern, was zu den Kriegen der zweiten Jahrhunderthälfte führte. Ein lehrreiches Beispiel für den heutigen Einigungs- und Verfassungsprozess der EU. Da die Deutschen selbst diese Vorgeschichte aber weitgehend vergessen haben, kann man sie gut z. B. gegen die Türkei in Stellung bringen.

Der Verfassungsschutz soll 230.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fußballweltmeisterschaft auf ihre Verfassungstreue hin durchleuchten. Ist das für die Sicherheit der WM sinnvoll?

Keine Ahnung. Mit der Tragödie des Terroranschlags auf die Münchner Olympischen Spiele 1972 könnte man mir viele Sicherheitsvorkehrungen verkaufen. Wobei nach meinem laienhaften Verständnis Sicherheit mit Verschwiegenheit anfängt und aufhört; also der derzeitige Teppichhändlerbasar um Bundeswehr, Verfassungsschutz, sonst noch was bei der WM nach Profilierungsbedürfnis und Wahlkampf riecht.

Am Wochenende wird in drei Bundesländern gewählt. In Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz scheint alles beim Alten zu bleiben. Ein Regierungswechsel deutet sich nur in Sachsen-Anhalt an. Wie beeinflusst die Berliner große Koalition das Wahlergebnis?

Nach den Umfragen stabilisieren sie die beiden großen Parteien. Die Faustregel, wonach große Koalitionen Wählerinnen und Wähler radikalisieren, liegt teils bereits hinter uns – das geschah während der informellen Großkoalition in der Schröderzeit. Teils wird das erst kommen, wenn nach den Landtagswahlen Regierungshandeln und -ohnmacht deutlicher werden.

In Deutschland steigen die Klinikärzte auf die Barrikaden, streiken für mehr Lohn und bessere Arbeitsbedingungen. Ein Aufstand der „Halbgötter in Weiß“ – oder was?

Mit dem Argwohn, die Schlaflosenfraktion streike hier ihren Chefärzten den Golfbeutel voll, wird man der Tarifauseinandersetzung nicht gerecht.

Im ersten deutschen Seniorenmarkt in Großräschen in der Lausitz gibt es alles, was das ältere Herz begehrt: T-Shirts mit Dreiviertelarm, Telefone mit großen Tasten. Ist das die marktwirtschaftliche Antwort auf die demografische Entwicklung in Deutschland?

Das „14–49“-Dogma der Werbewirtschaft wird täglich lächerlicher, stimmt. Die Kaufkraft wandert längst in die Zielgruppe der relativ gut Berenteten, und deren Bevölkerungsanteil wächst heftig. Allerdings gilt der ältere Mitbürger, wenn auch vermögender, dem Werber als problematisch: Der findet den Persil-Spot vielleicht auch lustig, kauft aber dann Omo, weil das war schon immer so. Sprich: je älter, desto schlechter beeinflussbar. Grundsympathisch. Die Wirkung auf das inhaltliche Angebot der Massenmedien stimmt mich hoffnungsfroh: Wie sieht das optimale Werbeumfeld aus für Zielgruppen, die sich nicht jeden Ramsch verkaufen lassen?

Um eine weitere Verbreitung der Vogelgrippe zu verhindern, sollen Hühner demnächst wieder in Legebatterien gepfercht werden. Ist das eine sinnvolle Maßnahme gegen die Krankheit, oder benutzt die Hühnermafia das Virus als Argument zur Fortsetzung von Tierquälerei aus Profitgier?

Hm. Draußen stecken sie sich eher an. Drinnen kann man sicher sein, dass ein Tier alle ansteckt.

In Frankreich demonstrieren seit Tagen die Studenten gegen den eingeschränkten Kündigungsschutz für Berufsanfänger. Geht es den Studis um die eigene Karriere oder erleben wir den Anfang einer neuen sozialen Bewegung?

Weder noch: Gegen die kontinuierliche politische Kultur unserer Nachbarn kann man die deutsche obrigkeitshörig nennen – oder Standortvorteil.

Und was macht Borussia Dortmund?

Fans behandeln Stadiongast Klinsmann vergleichsweise dezent. Bild enttäuscht.

fRAGEN: WG, RR