portrait : Von Folter ruiniert, aber ungebrochen
Freitagnacht um elf wurde Irans bekanntester politischer Gefangener, Akbar Ghandschi, unbemerkt von der Öffentlichkeit und zur Überraschung seiner Frau zu Hause abgeliefert. Sechs Jahre Einzelhaft, Qual und Folter haben seinen Köper ruiniert. Der 48-Jährige, abgemagert, mit schütterem Haar und langem, weißem Bart sieht wie ein 70-Jähriger aus. Aber seine wachen Augen glänzen und auf seinen Lippen liegt ein triumphierendes Lächeln, als wolle er den Folterern sagen: Ihr wart viel stärker als ich, aber meinen Widerstand konntet ihr nicht brechen.
Ghandschi gehört zu jener Generation, die vor 27 Jahren begeistert dem Ruf Ajatollah Chomeinis zur Gründung eines islamischen Staats folgte. Eine Weile war er sogar Leibwächter des Revolutionsführers. Doch wie viele Intellektuelle kehrte er dem Gottesstaat enttäuscht den Rücken. Nach Abschluss seines Soziologiestudiums arbeitete er als Journalist. Er gab die Wochenzeitung Rah-e No (Neuer Weg) heraus, die sich mit dem Verhältnis von Islam und Moderne beschäftigte, bis sie verboten wurde.
Später schrieb Ghandschi für Zeitungen und Zeitschriften. Berühmt wurde er durch seine Bücher, in denen er die Hintergründe der staatlichen Mordattentate gegen Dissidenten wie die „Kettenmorde“ von 1998 aufdeckte. Sein Buch „Die rot gekleidete Eminenz und die grauen Eminenzen“, in dem er die Intrigen von Exstaatspräsident Haschemi Rafsandschani entlarvte, wurde zum Bestseller. Rafsandschani hat sich von diesem Schlag nie erholt.
Im April 2000 wurde Ghandschi nach der Teilnahme an einer Irankonferenz der Berliner Heinrich-Böll-Stiftung in Teheran verhaftet. Das Revolutionsgericht verurteilte ihn wegen Propaganda gegen den Gottesstaat, Gefährdung der Staatssicherheit und Beleidigung der Staatsführung zu zehn Jahren Haft und fünf Jahren Verbannung. Das Urteil wurde später auf sechs Jahre reduziert. Doch Ghandschi ließ sich nicht zum Schweigen bringen. In Haft verfasste er ein „Manifest“, in dem er die Machtstrukturen des islamischen Staates und die eklatanten Menschenrechtsverletzungen anprangerte und die Trennung von Staat und Religion forderte. Das Manifest, das im Iran ein großes Echo fand, veranlasste die Justiz, die Haftbedingungen zu erschweren. Ghandschi wurde trotz Krankheit und weltweiter Proteste isoliert und weiter schwer gefoltert. Er sollte seine Kritik zurücknehmen oder zumindest nicht wiederholen. Doch selbst als er dem Tod nah im Krankenhaus lag, schrieb Ghandschi in einem offenen Brief, er werde sein Nein zu diesem Staat nie zurücknehmen: „Ich werde niemals den Kampf für Menschenrechte und Demokratie aufgeben.“ BAHMAN NIRUMAND