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Archiv-Artikel

„Suppe? Gruß, A. M.“

SCHWARZ-GRÜN Trivial Pursuit mit Schäuble

Was sonst noch geht

■ Rot-Grün: Das ist die Wunschkoalition von SPD und Grünen. In aktuellen Umfragen liegen beide Parteien aber selbst zusammen noch 3 bis 5 Punkte hinter der CDU allein. Da bräuchte man schon sehr viel Fantasie, um sich vorzustellen, dass das noch klappt.

■ Ampel: Rot-Grün könnte die FDP mit ins Boot holen. Rein rechnerisch. Aber die Liberalen haben in diesem Punkt jegliche Fantasie vehement ausgeschlossen.

■ Schwarz-Rot: Eine Große Koalition geht rechnerisch immer. Man braucht leider überhaupt keine Fantasie, um sich vorzustellen, dass die beiden die nächste Regierung stellen werden – falls es die FDP nicht über die Fünfprozenthürde schafft.

VON ULRICH SCHULTE

BERLIN taz | Jürgen Trittins Smartphone summt um halb sechs am Wahlsonntag, eine SMS von Angela Merkel. „23 Uhr im Kanzleramt? Sie plus KGE. Erbsensuppe ist bestellt. Gruß, A.M.“ Wenig später laufen im Fernsehen die Hochrechnungen, die Merkel und dem mächtigsten Grünen-Boss bereits am Nachmittag vorlagen. Es reicht weder für Schwarz-Gelb noch für Rot-Grün. Eine große Koalition könnte das Land regieren – oder Union und Grüne.

Merkel hat diese Frage beim Unkrautzupfen in ihrem Garten in Brandenburg längst entschieden. Sie will ihre Ära mit einem historischen Experiment krönen. Sie fände charmant, wenn ihre CDU das heikle Thema der Energiewende endlich abgeben könnte. Und sie hat keine Lust, mit dem sprunghaften Sigmar Gabriel zu regieren, der nach Peer Steinbrücks Abschied vor Kraft kaum laufen kann. Dann doch lieber Trittin und Katrin Göring-Eckardt. Das pragmatische Spitzenduo der Grünen erscheint fünf Minuten zu früh im Kanzleramt. Sie laufen durch einen Tunnel vom Bundestag, um den wartenden Journalisten zu entgehen. Das Gespräch ist herzlich, Merkel bricht mit Witzchen über Horst Seehofer schnell das Eis. In den Wochen nach dem Tête-à-tête testet sie in Sondierungen, ob die SPD billiger zu haben ist, lädt dann aber die Grünen zu Koalitionsverhandlungen ein.

Die bürgerliche Presse bejubelt diese „längst überfällige Sensation“, Trittin spricht staatsmännische Sätze in die Kameras. „Als Demokraten können wir uns der Erkenntnis nicht verweigern, dass es ohne Grün in diesem Land keinen Wechsel geben wird.“ Trittin, der in diesem Bündnis seine letzte Chance auf ein Ministeramt sieht, weiß, was er seiner skeptischen Partei zumutet. Aber wer kann den Grünen diese Machtperspektive beibiegen, wenn nicht er, der Chefstratege des linken Flügels?

Die Koalitionsverhandlungen verlaufen reibungslos. Merkel überlasst den Grünen die Energiewende, kommt ihnen beim Spitzensteuersatz entgegen, sagt sofort einen gesetzlichen Mindestlohn zu und verspricht vier Ministerien. Meist hakt die Runde das Offizielle schnell ab und spielt dann Trivial Pursuit auf Wolfgang Schäubles iPad, damit der Eindruck langwieriger Verhandlungen entsteht. Schäuble gewinnt, was Trittin, Superminister für Energie und Umwelt, fürchterlich ärgert.

Der künftige Migrationsminister Cem Özdemir betont bei der Abschlusspressekonferenz, die Grünen seien immer schon „links, liberal und konservativ in einem“ gewesen. Göring-Eckardt, Familienministerin in spe, scherzt über ihren selbstgebackenen Nusskuchen, mit dem sie den Schwarzen viel abgerungen habe. Sie kündigt ein Flexi-Kindersplitting an, das die familienpolitischen Konzepte beider Parteien vereinigen soll.

Den schwersten Job übernimmt Claudia Roth. Sie wirbt auf einem Sonderparteitag um die Zustimmung der Basis. Die Stimmung ist aufgeheizt, Delegierte brüllen den abgeänderten Plakatslogan: „Wir sind Grüne! Und du?“ Als ein Beutel mit schwarzer Farbe Roth am Kopf trifft, kippt die Stimmung. Schwarz-Grün wird Wirklichkeit.