„Wasser darf kein Konfliktstoff werden“
Das Potenzial für Kriege ums Wasser wächst, sagt Achim Steiner, zukünftiger Leiter der UN-Umweltbehörde. Unternehmen könnten bei der effizienten Versorgung helfen. Doch Regierungen und Firmen müssen über Beton und Stahl hinausdenken
INTERVIEW GERHARD DILGER
taz: Herr Steiner, sie werden Klaus Töpfer als Leiter der UN-Umweltbehörde Unep nachfolgen. Töpfer hat immer wieder vor Kriegen um das Wasser gewarnt. Stecken wir nicht schon heute in diesem Szenario?
Achim Steiner: Natürlich kann Wasser zu gewalttätigen Konfrontationen führen. Bei der zunehmenden Krise im Wassermanagement wird auch das Konfliktpotenzial immer dramatischer, weil Menschen ihre Wasserressourcen sicherstellen müssen. Aber wir haben auch Gegenbeispiele. Gerade Länder, die sich zum Teil in langjährigen Konflikten befunden haben, wie Indien und Pakistan, waren sich auch in den kriegerischsten Momenten einig, wie man sich das Wasser teilt. Es ist also nicht das Wasser und die Knappheit als solche, von der wir uns bedroht fühlen müssen, sondern fehlende Mechanismen zur Konfliktlösung. Da sehe ich eine wichtige Aufgabe der UNO und auch des Unep. Wir müssen erreichen, dass Länder Wasser gar nicht als Konfliktstoff betrachten.
Gestritten wird aber dennoch um das Wasser, zum Beispiel wenn es um die Privatisierung der Versorgung geht.
Wir befinden uns seit 10 Jahren in einer Scheindiskussion. Früher sprach man von der „Privatisierung von Wasser“. Aber meiner Meinung nach wird Wasser niemals als solches privatisiert. Wir können Wasser auch nicht nur auf ein ökonomisches Gut reduzieren. Die Diskussion geht vielmehr um die Frage, wie wir die Wasser Ver- und Entsorgung effizient regeln. Solange man akzeptiert, dass Wasser ein öffentliches Gemeingut ist, sollte man auch offen dafür sein, dass eine Gemeinde in Zusammenarbeit mit einem Privatunternehmen Wasser billiger bereitstellt. Wir haben in den letzten Jahren aber auch gesehen, dass sich die Wasserwirtschaft mit ihrem Engagement schwerer tut, als sie das vor ein paar Jahren geglaubt hat.
Wie beurteilen Sie die neue Linie der Weltbank, wieder mehr auf Großstaudämme zu setzen?
Der Bau eines Staudamms sollte nie wegen einer ideologischen Perspektive ausgeschlossen werden. Es geht vielmehr um folgende Fragen: Was ist ein guter und was ein schlechter Staudamm? Wer gewinnt, wer verliert. Was leistet die Gesellschaft im Sinne einer Kompensation und beim Schutz der Grundrechte? Da ist die Weltbank sehr langsam gewesen. Zugleich hat sie mit ihrer Wasserpolitik aber auch für neue Diskussionen über nötige Investitionen in diesem Sektor gesorgt.
Was kann das Unep der weltweit herrschenden Wachstumsideologie, die sich in umweltzerstörerischen Staudamm- oder Bergbauprojekten niederschlägt, entgegensetzen?
Es bringt nichts, sich auf Gegenkurs zu begeben. Wenn die Diskussion derzeit unter dem ökonomischen Primat geführt wird, dann kann man sie kaum gewinnen, indem man auf die langfristigen Umweltfolgen hinweist. Die Frage ist: Wie schaffen wir es, dass Regierungen in ihrer ökonomischen und entwicklungspolitischen Planung sich mit den wahren Kosten von Entwicklungsentscheidungen auseinander setzen? Diese Länder haben zum Teil sehr wenig eigene Kapazitäten, um die Kosten einer solchen Entscheidung zu begreifen. Diese Kosten könnten den Unternehmen aufgebürdet werden. Dann ist es unsere Aufgabe, das ökologische und ökosystemische Fachwissen, das wir heute haben, für eine optimale Nutzung der Ressourcen einzusetzen. Wir müssen auf die Länder einwirken, damit sie ihre Infrastrukturentwicklung im Wasserbereich auf Ökosystemmanagement ausrichten und nicht nur auf Beton und Stahl.
1,2 Milliarden Menschen haben kein sauberes Trinkwasser, 2,6 Milliarden keine Abwasserentsorgung. Ist das nicht ein Armutszeugnis nach fast 60 Jahren Entwicklungspolitik?
Man kann das Glas immer halb leer oder halb voll sehen. Wenn man betrachtet, wie viele Menschen heute schon Zugang zu sauberem Trinkwasser haben, muss man auch anerkennen, das sehr viel getan worden ist. Manche Länder schaffen manchmal in fünf oder zehn Jahren Entwicklungssprünge, die bei uns manchmal 20, 30 oder 50 Jahre gedauert haben.
Welche Länder können denn als positive Beispiele dienen?
Südafrika hat eine moderne Wassergesetzgebung geschaffen. Es hat in seinem Grundgesetz das Recht auf Wasser verankert. Oder Uganda, das zweite Land der Welt, das eine nationale Politik für den Schutz seiner Feuchtgebiete entwickelt hat. Das Land hat mit seinen Umweltgesetzen Standards gesetzt – auch für Industrieländer.