LESERINNENBRIEFE
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Warum dieser Geiz?

■ betr.: „Langzeitarbeitslose beseitigen Flutschäden“, taz v. 16. 8. 13

Ich finde es beschämend, dass eine so wichtige gesellschaftliche Aufgabe nicht entsprechend honoriert wird, sei sie nun freiwillig oder nicht. Österreich geht hier einen guten Weg, an dem man sich orientieren kann. Menschen, die freiwillig eine so wichtige Aufgabe übernehmen, verdienen Anerkennung. Deutschland, warum dieser Geiz? Manchmal glaube ich, unsere NS-Vergangenheit sitzt uns immer noch ganz schön in den Knochen. Es fällt zumindest schwer, bei der Vorgehensweise des Jobcenters Stendal nicht sofort daran zu denken. ELFI HOFFMANN, Oldenburg

Brauchen wir diese Waffen?

■ betr.: „Von Mängeln und Milliarden“, taz vom 12. 8. 13

Es gibt in der Tat keine guten Gründe für die Geheimhaltungspraktiken bei Rüstungsprojekten, wie sie von Politik, Bundeswehr und Industrie gemeinsam vertreten werden. Im Gegenteil, diese Geheimnistuerei, hinter der sich wenig nützliche Interessenverknüpfungen verbergen, verhindern die notwendige demokratische Legitimierung und schaden der dringend nötigen öffentlichen Akzeptanz von Außen-, Militär- und Rüstungspolitik.

Die einfache Wahrheit, dass Friedenspolitik als wesentliche Grundlage die Fähigkeit voraussetzt, den Frieden notfalls mit militärischer Gewalt durchzusetzen, ist nicht populär. Das Argument, dass militärische Gewalt nicht allein in der Lage ist, Frieden zu erhalten, zu fördern und herzustellen, wird allzu gern instrumentalisiert, um die militärische Seite grundsätzlich zu diskreditieren. Dass Friedenspolitik auch den wirtschaftlichen Interessen dient, ist ein Argument, das grundsätzlich Verdacht erregt und Ächtung nach sich zieht.

In der Analyse von Michael Brzoska fehlt eine genauere Untersuchung, warum eigentlich die Bemühungen, den bestehenden Filz zu beenden, gescheitert sind. Immerhin hatte der zu Recht geschmähte Verteidigungsminister von Guttenberg das Beschaffungssystem der Bundeswehr als skandalös bezeichnet, und auch de Maiziere hatte markige Worte in Richtung Rüstungsindustrie und Beschaffungswesen, ja Kürzungen von schon vergebenen Aufträgen durchgesetzt.

In der aktuellen Debatte über die skandalösen Vorgänge der Euro-Hawk-Beschaffung wurde systematisch eine Frage verdrängt: Brauchen wir diese Waffen?! Nur wenige Beiträge stellen sich dieser Frage. So wie Politik und Industrie kein Interesse zeigen, die undurchsichtige „Gemengelage“ zu beenden, zeigen auch die Kritiker wenig Interesse, die Bedingungen für demokratisch legitimierte Akzeptanz des Komplexes zu benennen. Transparenz und öffentliche Begründung im Rahmen einer europäischen, friedensorientierten Außen- und Sicherheitspolitik sind die Bedingungen für eine demokratische Mitbestimmung durch Öffentlichkeit und Parlament. Vielleicht gibt es nach den Wahlen bessere Bedingungen, diese notwendige, öffentliche Debatte zu führen. BURKHART BRAUNBEHRENS, Ebertsheim

Ein wenig mehr recherchieren

■ betr.: „Die kleine Wortkunde. Ficken“, taz vom 19. 8. 13

Etymologien sind ja gut und schön, aber wirklich interessant ist der transitive Gebrauch des Verbs „ficken“; der wird in eurem Artikel nur am Rande erwähnt: „Der Film hat mich gefickt.“ Jeder, der wie ich als Wehrpflichtiger bei der Bundeswehr war, kennt Sätze wie: „Jetzt hat er uns aber gefickt“ (für „hart rangenommen“; „er“ ist dann der jeweilige Ausbilder). Da sieht es dann so aus, als wäre „ficken“ nur in übertragener Bedeutung transitiv.

Aber tatsächlich wird das Verb gerade in seiner sexuellen Bedeutung transitiv gebraucht, und da hat, jedenfalls wenn es sich um heterosexuellen Sex handelt, anscheinend „normalerweise“ der Mann die Subjekt- und die Frau die Objektstelle. Mir scheint, Männer ficken und Frauen werden gefickt. Oder hängt dieser Eindruck vielleicht nur damit zusammen, dass ich zu wenig Frauen kenne, die mit diesem Verb zwanglos umgehen? Vielleicht bilden sich da ja Klischees über Machtverhältnisse ab.

Das ist sicherlich ein weites Feld, aber vielleicht könnt ihr da mal ein wenig mehr recherchieren. Keine Ahnung habe ich, wie das Wort im Schwulenmilieu verwendet wird; das könnte ja durchaus ein eigenes Kapitel werden. WINFRIED SCHUMACHER, Köln

Gehässige Glosse

■ betr.: „Schwafeln, bis der Arzt kommt“, taz vom 17. 8. 13

Diese gehässige Glosse verdient jeden Widerspruch. Von einem Kulturredakteur erwarte ich eigentlich, dass er über seinen Tellerrand hinauszuschauen vermag. Das ist leider bei Andreas Fanizadeh überhaupt nicht der Fall. Er benutzt Jakob Augsteins Upperclass-Biografie, um diesen mitsamt seiner im Buchtitel aufgeworfenen Frage zu desavouieren, und entsorgt mal eben so nebenbei Oskar Negts Kapitalismuskritik gleich mit. Für mich ist es evident, dass nach Oskar Negt „die Bindungslosigkeit eines der Kernelemente der katastrophalen neoliberalen Ökonomie“ ist. Diese Bindungslosigkeit des heutigen „homo oeconomicus“, bereits von Ivan Illich, der die rasant zunehmende Ökonomisierung aller Lebensbereiche untersucht hat, ist nichts anderes als die Fortschreibung der Marx’schen Entfremdungstheorie. Und wer es heute wagt, so en passant „postdemokratischen Verhältnisse“ als Manipulations- und Verschwörungsesoterik“ abzutun, der hat in der Tat den Schuss nicht gehört. Passend zu seiner oberflächlichen neoliberalen Haltung natürlich die Herabwürdigung eines Peter Sloterdijk als einen rechten Populisten. Ich empfehle gründlichere Lektüre, und das nicht nur beim Schein einer Nachttischlampe. JÜRGEN SCHIERHOLZ, Bremen