: Metaller fordern fünf Schluck aus der Pulle
IG Metall droht vor der dritten Verhandlungsrunde mit Warnstreiks und wirft den Metall-Arbeitgebern in NRW eine „Verzögerungstaktik“ vor. Verhandlungen über umstrittene 40-Stunden-Woche bei Siemens Bocholt angelaufen
DÜSSELDORF taz ■ Neben dem Streik im öffentlichen Dienst könnte NRW bald ein neuer Arbeitskampf bevorstehen. Auf ihrer gestrigen Hagener Tarifkonferenz drohte die IG Metall den Arbeitgebern mit „massiven Warnstreiks“, falls die Kapitalseite ihre „Verzögerungstaktik“ fortsetze. Angesichts der Profite der Branche sagte IG-Metall-Bezirkschef Detlef Wetzel: „Gewinne sind nicht nur für Unternehmer da.“ Die IGM fordert fünf Prozent mehr Lohn (siehe Kasten).
Morgen verhandeln Gewerkschaft und Arbeitgeber zum dritten Mal. Neben Lohnerhöhungen strebt die IG Metall einen Tarifvertrag zur „Qualifizierung und Innovation“ als „Instrument der Beschäftigungssicherung“ an. Weitere Ziele: die Vergütungen von Azubis um 37 Euro monatlich zu erhöhen sowie die vermögenswirksamen Leistungen neu zu regeln. Die Friedenspflicht in der Metall- und Elektroindustrie endet kommende Woche.
Ein Sprecher des NRW-Arbeitgeberverbands lehnte es gestern auf taz-Nachfrage ab, auf die IG-Metall-Kritik zu reagieren: „Wir werden bei den Verhandlungen das Nötige sagen.“
Anfang April setzt die IG Metall auch die Verhandlungen über das so genannte „Bocholter Modell“ bei Siemens fort. Nachdem der damalige Konzernchef Heinrich von Pierer vor zwei Jahren mit der Verlagerung ihrer Jobs nach Ungarn gedroht hatte, schluckten die Siemens-Arbeiter die 40-Stunden-Woche ohne Lohnausgleich sowie Kürzungen beim Weihnachts- und Urlaubsgeld. Jürgen Rüttgers feierte den Sondertarifvertrag als „patriotische Leistung“, wirtschaftsnahe Zeitungen feierten das „Bocholter Modell“. Doch jetzt wollen IG Metall und Betriebsrat bei Siemens Bocholt zurück zum Flächentarif.
Bereits geeinigt haben sich Arbeitgeber und Gewerkschaft, dass zwei bestehende Ergänzungstarifverträge für den Siemens-Standort wieder zusammengelegt werden. Die Arbeitnehmer werteten dies als Erfolg, weil nun „keine Abkopplung vom Hauptwerk“ mehr drohe, so Betriebsratschef Michael Stahl. Auch die Reorganisation unter die Ägide des Siemens-Zentralvorstands stärke den Standort Bocholt, heißt es aus Gewerkschaftskreisen. Es werde dem Arbeitgeber schwer fallen zu erklären, warum die profitable Bocholter Telefonfabrik an dem unbeliebten Sparmodell festhalten müsse – zumal die verlustreiche Handyabteilung nicht mehr zum Konzern gehört.
Die taiwanesische BenQ-Gruppe, die 2005 die Handysparte von Siemens übernommen hatte, kündigte unterdessen ebenfalls eine Restrukturierung an. Der Kundenservice in Bocholt und Kamp-Lintfort wird in eine 100-prozentige Tochtergesellschaft überführt. Ein BenQ-Firmensprecher: „Seit dem Übergang der Handysparte von Siemens auf BenQ haben wir dort an den Standorten 155 Mitarbeiter eingestellt und noch etwa 120 offene Stellen zu besetzen.“ MARTIN TEIGELER