Out of Sight

NACHRUF Wenn es sich geschrieben anhört, schreib’s neu: Der Schriftsteller Elmore Leonard ist tot

In den USA war er einer der ganz Großen, hierzulande war er das, was man Kultautor nennt. Seine Fangemeinde war empfindlich. Maunzte, wenn man erzählte, man übersetze gerade sein jüngstes Buch: „Ach, die nächste schlechte Übersetzung.“ Und: „Den kann man nicht übersetzen.“ Letzteres stimmte irgendwie.

Elmore Leonard, der Kriminalromancier, dem die Suspense-Technik des „Whodunnit“ piepegal war. Dessen Geschichten von den Milieus leben, in denen sie spielen, und, vor allem, von den Dialogen. Weswegen seine Bücher als Filmvorlage so gut taugen – siehe „Schnappt Shorty“, „Jackie Brown“, „Out of Sight“ oder die Serie „Justified“. Auch im Alter schien Leonard noch in den abseitigsten Biotopen der amerikanischen Gesellschaft zu Hause, seine Figuren – diese Bankräuber, Hustler, Pferdezüchter, Stewardessen, Neonazis und Polizisten – ließ er in Regionaldialekten, Slangs und Soziolekten sprechen. Da war im Deutschen oft nichts zu machen. Man kann ja einen US-Kubaner, der frisch aus dem Knast kommt, nicht Kiezdeutsch reden lassen oder einen Bergarbeiter aus Kentucky Ruhrpottslang.

Es blieb, sich an den Schlussakkord seiner „10 Regeln des Schreibens“ zu halten: „Wenn es sich geschrieben anhört, schreib’s neu.“ Ich hoffe, dass sich hier und da seine grandiose Echtzeitgeschwindigkeit – die manchmal erbarmungslos langsam war –, Lebensfülle und so zärtliche Gewitztheit hinüberretten ließen. Elmore Leonard starb am 20. August an den Folgen eines Schlaganfalls. Er wurde 87 Jahre alt und hinterlässt 49 Romane. KIRSTEN RIESSELMANN

■ Die Autorin übersetzte Leonards letzten Roman, „Raylan“ (Suhrkamp 2012), sowie zusammen mit Conny Lösch „Road Dogs“ (Suhrkamp 2009)