: SOUNDTRACK
Linke Lehrer finden Billy Bragg voll gut, ihre Kinder mögen im Zweifelsfall, wenn sie nicht ganz abseitigen Dingen verfallen sind, vielleicht doch eher Frank Turner. Der Mann wird hier und dort vorschnell und unbedacht als ein zeitgenössisches Pendant des guten Pop-Gewissens aus Barking bezeichnet. Solche Vergleiche müssen allerdings schnell an der Wahrheit zerschellen und die lautet: Turner spricht kein Cockney, Turner spielte in einer Punk-/Hardcore-Band und das hört man ihm und seinen Begleitmusikern auch an, Turner ist eher so der positive „thinking-guy“, der, der dauerhafte Aufbruchstimmung verbreitet. Textlich geht es dann zwar auch viel um Verlierer, sie sind aber immer gerade im Begriff, wieder aufzustehen, es geht um Zusammenhalt und viel auch um eine (immerhin nicht ausschließlich männlich konnotierte) Bierseligkeit. Dies alles gewandet in Momente von Punk, räudigem Kneipenfolk und großer Bühne. Genau dort steht Turner mit seiner auf eingängige Refrains hin ausgearbeiteten Mitsing-Musik auch bereits, was in der Punk-Community schon leise Befürchtungen fortschreitender Bruce-Springsteen-Werdung hat laut werden lassen. So weit ist es allerdings noch nicht und bis es so weit kommt, klingt das Ganze doch eher so, als würden die „Pogues“ doppelt so schnell spielen und Shane McGowan wäre nicht herzzerreißend betrunken. Do 1. 4., 20 Uhr, Uebel & Gefährlich, Feldstraße 66 Steve von Till ist der Sänger von „Neurosis“ und man würde wohl genauso wenig erwarten, dass er nebenbei als Grundschullehrer tätig ist, wie man es für möglich hielte, ihm als Singer / Songwriter über den Weg zu laufen. Kann aber passieren – und auch wieder nicht, denn mit den klassischen Introspektionen des Gewerkes ist der Mann zwar unter seinem Echt-Namen per Du. Von Till spielt in diesen Momenten sehr spärlich mit träger Gitarre instrumentierten düsteren Traditional Folk / Alternative Country. Gleichzeitig tritt er unter dem Namen Harvestman aber auch als One-Man-Version des nicht weniger dunklen psychedelischen Metal-Boliden aus Oakland auf. Hier wird die „chain of horrors“ genannte eindrucksvolle Ansammlung an Verzerrern und Effektgeräten bearbeitet, dort werden Folk-Motive nur aus dem Grund aufgenommen, um sie in sphärischer, mystischer und tonnenschwerer Emotionalität zu baden. Einmal Untergang bitte. Sa, 3. 4., 17.30 Uhr, MS Hedi, Landungsbrücken 10 Während Kathleen Hanna derzeit als Pädagogin arbeitet und demnächst an der University of New York Kunst unterrichtet (!), nutzen die anderen Mitglieder von „Le Tigre“ die Bandpause für ein schönes Stück MashUp / Bastard Pop. Diese Musikrichtung entsteht im weitesten Sinne dort, wo die DJs nicht mehr nur Plattenaufleger sind, sondern selber zu Künstlern mutieren und die Stücke in wahnwitziger Weise neu zusammensetzen. 70er-Jahre-Disco geht dann in Punk auf, und vielleicht auch Bruce Springsteen in Missy Elliott. JD Samson, Johanna Fateman und andere haben unter den Namen Men allerdings zwischenzeitlich auch begonnen eigene Stücke zu machen und kreuzen dort durchaus nah an der Stammband, nur deutlich elektronischer. No Wave und Indiedisco à la Chic mit eingängigen Singalongs zu einer „All-Style-all-Genders-Party“ (Spex). Mi, 7. 4., 20 Uhr, Prinzenbar, Kastanienallee 20 NILS SCHUHMACHER