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Archiv-Artikel

Neandertaler von Mettmann verliert den Affenkopf

Mit neuster Computertechnik rekonstruiert ein internationales Forscherteam im Rheinischen Landesmuseum in Bonn das Gesicht des Neandertalers von Mettmann. Offenbar hatte der berühmte Urzeitmensch Pausbacken. Auch das Fernsehen ist an der Arbeit interessiert

Viel ist es nicht, was die Wissenschaftler da in der Hand halten. Eine Schädeldecke, dazu ein paar Knochensplitter. Nasen- und Mundpartie fehlen. Die Forscher sind vorsichtig und tragen weiße Stoffhandschuhe. Denn es sind nicht irgendwelche Knochen, die sie da halten. Es ist der Kopf des Neandertalers von Mettmann, dessen Überreste vor 150 Jahren im Neandertal östlich von Düsseldorf gefunden wurden und die seit 1877 im Besitz des Rheinischen Landesmuseums beziehungsweise früher des Provinzialmuseums sind.

Aus diesen paar Knochenstückchen soll nun der gesamte Schädel rekonstruiert werden. Wie die Neandertaler aussahen, davon hat sich die Wissenschaft längst ein Bild gemacht. Breite Nasen und Wülste über den Augen gehören dazu. Doch wie sah der Neandertaler aus, dessen Überreste 42.000 Jahre nach seinem Tod bei Mettmann gefunden wurden? Das wollen die Wissenschaftler mithilfe moderner Computertechnik herausfinden.

„Frühere Rekonstruktionen beruhten auf Vermessungen und grafischen Darstellungen“, erläutert Ralf W. Schmitz von der Universität Tübingen. Seine Arbeit machte die Gesichtsrekonstruktion überhaupt erst möglich: Im Jahr 2000 entdeckte er bei Ausgrabungen im Neandertal weitere Stücke des berühmten Schädels, darunter ein Stück Kinn und ein Jochbein, das direkt unter das linke Auge passte. Die Stücke wurden mittels Computertomografie eingescannt. Ein eigens entwickeltes Computerprogramm erleichtert die Rekonstruktion. Einzelne Knochen können am Bildschirm nach Belieben hin und her geschoben werden. Das Jochbein zum Bespiel wurde einfach kopiert und gespiegelt. „Wir haben nicht mehr mit der Schwerkraft zu kämpfen“, sagt Christoph Zollikofer von der Universität Zürich.

Die Züricher steuerten aus ihrer Datenbank auch einen anderen Neandertalerschädel aus Frankreich bei, der „bis auf wenige Millimeter identisch“ ist, so Zollikofer. Auf diese Weise kam der Mettmanner Urmensch wieder zu Gesichtsknochen. Mit der Lasertechnologie der Stereolithografie wird aus der virtuellen Rekonstruktion ein reales Kunststoffmodell.

Fehlt nur noch die Haut. Dazu wurden die Gesichtsdaten eines modernen Menschen eingegeben. Anhand dieser Daten errechnete der Computer dann das Gesicht des Neandertalers: Die bekanntem Wülste über den Augen sind da, weitere Kennzeichen sind Pausbacken und ein fliehendes Kinn. Alles in allem sind die Gesichtszüge aber noch sehr schemenhaft. Deutlich wird jedoch: Der Neandertaler kommt viel weniger grobschlächtig und affenähnlich daher als es das Klischee will. Allerdings hat auch das neue Bild nur begrenzte Aussagekraft. „Wir werden den realen Zustand nie herausfinden“, ist sich Zollikofer bewusst.

Die – bislang nur virtuelle – Rekonstruktion soll im Sommer in der Ausstellung „Roots – Wurzeln der Menschheit“ gezeigt werden. Auch das Fernsehen ist längst auf die Bonner Forschungsarbeit aufmerksam geworden. Im ZDF soll im Sommer eine Dokumentation über den Neandertaler von Mettmann laufen. Da kommt dann auch die Gesichtsrekonstruktion ins Spiel. „Wir müssen wissen, wie unser Darsteller auszusehen hat“, sagt die ZDF-Mitarbeiterin Ruth Omphalius. DIRK ECKERT

„Roots“, Rheinisches Landesmuseum Bonn, ab 7. Juli„ZDF Expedition“, 16. Juli, 19.30 Uhr