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Archiv-Artikel

Die Bretter, die das Geld bedeuten

Hamburg will wesentliche Gebäudeteile des Deutschen Schauspielhauses an einen französischen Investor verkaufen. Klappt der Deal, rechnet Intendant Friedrich Schirmer mit dem Ende des Spielbetriebs an der renommierten Bühne in 50 Jahren

von Klaus Irler

Hamburg ohne das Deutsche Schauspielhaus? Ohne jenem Kultur-Leuchtturm, der insgesamt viermal zum Theater des Jahres gekürt wurde und die Auszeichnung damit so häufig bekommen hat wie keine andere Bühne im deutschsprachigen Raum? Mit 1.831 Zuschauerplätzen ist das Hamburger Schauspielhaus das größte Sprechtheater Deutschlands – und das droht in mittlerer Zukunft unterzugehen?

Noch ist es nicht soweit. Und doch könnte der Anfang vom Ende gemacht sein, und zwar über einen Immobilienverkauf: Bei der jüngsten Sitzung des Kulturausschusses stand die Hamburger Kulturbehörde unter dem Punkt „Verschiedenes“ Rede und Antwort über die Pläne der Stadt, den hinteren Gebäudeteil des Deutschen Schauspielhauses zu verkaufen. Darin befinden sich der Fundus, die Werkstatt, der Malersaal und der Bürotrakt des Theaters – Abteilungen, ohne die vorne auf der Bühne nichts geht. „Es geht um den existentiellen Teil des Hauses“, sagt Schauspielhaus-Intendant Friedrich Schirmer. „Für mich ist das schrecklich – um es vorsichtig zu formulieren.“

Verkauft werden soll der Gebäudeteil an den Investor „Captiva Capital Partners II SCA“, einen Immobilienfond, der von der „IXIS Capital Partners Limited“ betreut wird. Diese wiederum gehört zur französischen Sparkassengruppe „Caisse Nationale des Caisses D‘Epargne“. Der Kaufvertrag ist bereits notariell beurkundet, was allerdings noch fehlt, ist die Zustimmung der Hamburger Bürgerschaft. Und mit der ist zu rechnen: Der Verkauf ist Teil eines größeren Immobilien-Geschäfts, das Hamburg mit den Franzosen eingefädelt hat. Die Geschäfte laufen paketweise: Das Schauspielhaus ist Teil eines Pakets von 39 Objekten, die für insgesamt 815,5 Millionen Euro den Besitzer wechseln sollen (siehe Kasten).

Der Vertrag sieht vor, dass das Schauspielhaus die Gebäude bis 2057 unentgeltlich nutzen darf. Danach aber ist alles offen, und das hält Intendant Friedrich Schirmer „für eine Katastrophe. 50 Jahre vergehen schnell. Im besten Fall erwartet uns in 50 Jahren eine unglaublich hohe Miete, im schlechtesten Fall, dass das Haus nicht mehr bespielt wird.“ Schirmer rechnet damit, dass der schlechteste Fall Realität wird: „Wenn jemand ein Grundstück im Herzen der Stadt kauft, hat er damit etwas vor.“ Und das bedeutet: neue, renditeträchtige Projekte statt Theater.

Intendant Schirmer hofft nun inständig auf Nachverhandlungen mit den Franzosen und hat von der Hamburger Kultursenatorin Karin von Welck (parteilos) die Zusage, dass es diese geben soll. „Wir werden all unser Verhandlungsgeschick einsetzen, um das Bestmögliche herauszuholen“, versicherte die ziemlich gereizte von Welck bei der Sitzung des Kulturausschusses am Dienstag abend auf die zahlreichen Nachfragen zum geplanten Verkauf. Auf die Frage, warum sie sich denn erst in eine schlechtere Verhandlungsposition begebe, anstatt den Verkauf gleich zu verhindern, reagierte sie mit dem Hinweis, die Schauspielhaus-Leitung sei bereits im Sommer vorigen Jahres über die Verkäufe informiert worden. Eine Sicht der Dinge, die Schirmer nicht teilt: „Mich schockt die Art und Weise, wie nicht kommuniziert wurde mit mir. Man sollte besser vorher reden und dann handeln.“

Für die Hamburger Kulturbehörde ist am Tag nach der Kulturausschuss-Sitzung trotzdem alles in Ordnung: Das Schauspielhaus habe mit 50 Jahren die längste unentgeltliche Nutzung von allen verkauften Objekten erhalten, außerdem würden sich die Betriebskosten des Schauspielhauses durch einen neuen Vertrag jährlich um rund 80.000 Euro senken lassen. Wie das gehen soll, darüber war gestern nichts zu erfahren.

Eine weitere Frage wird sein, wer für die Instandhaltung der Gebäudeteile aufkommt, wenn es erstmal einen neuen Eigentümer gibt. Auch hier werde noch nachverhandelt, so Kultursenatorin von Welck. Intendant Schirmer meldet bereits „ziemlich großen Gesprächsbedarf“ mit der Behörde an.

Dem französischen Investor, so ist zu hören, ging es bei seinem Einkauf übrigens vor allem um das Parkhaus, das an das Deutsche Schauspielhaus angrenzt. Dass den Immobilienhändlern nebenbei noch ein bisschen Kultur mit ins Netz gegangen ist, dürfte erst nun noch einmal Thema werden.