: Pixel und Parasiten
SPORTWERBUNG Warum die Sportredaktion der taz plötzlich Rechnungen im insgesamt fünfstelligen Bereich an etliche Großunternehmen schickt
VON MARKUS VÖLKER
„Kabaretteinlage“, lästern die einen. „Tolle Sache“, sagen die anderen. Fakt ist: Die neueste Aktion der Leibesübungen-Redaktion der taz spaltet das Lager der Sportfreunde in Zweifler und Befürworter, wobei letztere Fraktion zahlenmäßig dann doch erheblich stärker ist. Sogar das Urgestein des kritischen Sportjournalismus, Jens Weinreich, twittert: „Coole Idee“. Wenn das Ganze funktioniert, dann „hätte der taz-Sport übrigens die Zauberformel für die Rettung des Printjournalismus gefunden“, schreibt er. Auch wenn sich die Rettung des Papierjournalismus noch etwas hinziehen könnte, hat die „Pixel-Pause“ (Süddeutsche Zeitung) der Sportredaktion für Aufsehen gesorgt; Spiegel, Stern, Focus und ein paar andere Onlinemedien berichteten. Was ist geschehen?
Normalerweise verpixeln wir Trikot- und Bandenwerbung oder suchen Fotos aus, die frei von Firmenlogos sind. Das machen wir seit August 2011 so. Nach erheblichem Widerstand in Teilen der taz-Redaktion hat sich die Verpixelung von Werbeinhalten zumindest auf der Sportseite im Printbereich durchgesetzt (leider nur da). Die Pixel sind neben dem Verzicht auf Motorsport zu einem Markenzeichen der Leibesübungen geworden: Wir waren schlichtweg angeödet von der Omnipräsenz der Sportwerbung, zudem wollten wir nicht mehr einsehen, warum wir Fremdwerbung, die sich wie ein Parasit am Wirtstier Zeitung nährt, zulassen sollen – noch dazu kostenlos. So kam’s, dass wir in der vorigen Woche die Verpixelung ausgesetzt und Sportfotos wie Werbeanzeigen behandelt haben. Alle Reklamefotos bekamen die Kennung: „Anzeige“. Den Profiteuren, die ihre Werbung auf dem Trikot des FC Bayern oder einer Bande in die taz einschleusten, wurden Rechnungen gestellt.
In der Vorwoche haben wir 15 Sportanzeigen gedruckt. Zwölf Firmen wurden zur Kasse gebeten – Coca-Cola (2), Red Bull und TDK, Evonik (2), Areva, Deutsche Bahn AG und Daimler, Gazprom, Toyota, Tipico Sportwetten, die Telekom (2) und IBM: Zumeist also Global Player, die in der Lage sind, für ihre Werbung in der taz zu zahlen. 72.332,13 Euro summierten sich für diverse Textteil- und Eckfeldanzeigen.
Noch haben wir keine Antwort von den Unternehmen erhalten, bleiben aber dran. Notfalls gibt’s Mahnungen. Bis jetzt dürfen Unternehmen in fast allen deutschen Zeitungen via Sportfoto kostenlos inserieren. Es wird von den Redaktionen und Verlegern geduldet. Was sich hier eingebürgert hat, ist Werbepiraterie von Firmen, die sich das leisten können. Seit Montag wird im Übrigen wieder verpixelt.
■ Markus Völker, 42, taz-Sportredakteur seit 2005, sehnt sich manchmal nach der Zeit, in der Werbung noch Reklame hieß. Fragen an sein Ressort? Mailen Sie an: sport@taz.de