: Reden statt Bomben
AUS MADRID REINER WANDLER
Die baskische Separatistenorganisation ETA hat gestern einen „permanenten Waffenstillstand“ verkündet. Auf einem Video, das vom baskischen Regionalfernsehen ausgestrahlt wurde, verlasen drei vermummte Männer mit Baskenmütze ein Kommuniqué. Ab Freitag um Mitternacht sollen die Waffen ruhen.
„Das Ziel dieser Entscheidung ist es, einen demokratischen Prozess im Baskenland anzutreiben“, hieß es in der Erklärung. „Am Ende dieses Prozesses müssen die baskischen Bürger das Wort über ihre Zukunft haben.“ Spanien und Frankreich – auf dessen Gebiet die sieben Baskenprovinzen liegen – „müssen das Ergebnis dieses demokratischen Prozesses anerkennen“. Die ETA erwartet von Madrid und Paris, dass die „Repression aufgegeben wird“.
Der kurze Text, der – anders als bei früheren Gelegenheiten – nicht von einem „unbefristeten“, sondern von einem „permanenten“ Waffenstillstand redet, ist nur der Vorbote einer längeren Erklärung. Das gab die ETA-nahe Tageszeitung Gara in einer Sonderausgabe bekannt. Darin wurde für heute eine 16-seitige Beilage angekündigt, deren Herzstück eine Erklärung sein soll, „die die ETA an diese Zeitung geschickt hat“.
„Nach so vielen Jahren des Leidens stehen wir vor einem Weg, der schwierig sein wird“, erklärte Regierungschef José Luis Zapatero. „Diesen Weg müssen alle politischen Kräfte zusammen beschreiten“, fügte er hinzu. Zapatero versicherte, fortan auch die größte Oppositionskraft, die Volkspartei (PP), zu informieren. Keine Frage hatte die regierenden Sozialisten in den letzten Monaten so gespalten wie die Frage des Kampfs gegen die ETA.
Auch gestern kam die einzige kritische Stimme wieder von PP-Chef Mariano Rajoy. Der Waffenstillstand sei „eine Pause und nicht der endgültige Verzicht auf die kriminellen Aktivitäten“. Er forderte Zapatero auf, „keinen politischen Preis für den Frieden zu bezahlen“. Denn das würde den Terrorismus im Nachhinein rechtfertigen. „Jetzt eint uns alle die Hoffnung in dieser Staatsfrage“, bat Zapatero die PP zur Zusammenarbeit.
Auch Zapatero ist klar, dass die ETA in der Vergangenheit zehnmal die Waffen ruhen ließ – und jedes Mal zu ihnen zurückkehrte. Zum letzten Mal war dies im Dezember 1999 der Fall. Damals brach die ETA eine 14-monatige Waffenruhe. Seither verloren 46 Menschen bei Anschlägen ihr Leben.
Wie der „demokratische Prozess“, von dem die ETA redet, aussehen soll, ist seit längerem bekannt. Der Sprecher der verbotenen Batasuna, Arnaldo Otegi, spricht seit Monaten von „zwei Tischen“. Zum einen sollen Regierung und bewaffnete Separatisten über die „Demilitarisierung“ verhandeln, zum anderen sollen alle Parteien und gesellschaftlichen Kräfte des Baskenlandes zusammenkommen, um über die Zukunft der Nordregion zu beraten.
Bleibt die Frage, ob Otegi den Friedensprozess anführen kann. Denn der Batasuna-Sprecher wird in den nächsten Tagen vor dem obersten Strafgericht in Madrid, der Audiencia Nacional, erscheinen müssen, um sich zu den Zwischenfällen bei einem von der Batasuna ausgerufenen Generalstreik befragen zu lassen. Otegi wird beschuldigt, noch immer ETA-Mitglied zu sein. Er ist nur gegen Kaution auf freiem Fuß. Der Richter hat bereits erklärt, ihn in U-Haft nehmen zu wollen.
„Endlich hat die ETA auf die Gesellschaft gehört“, erklärte der Chef der baskischen Autonomieregierung, Juan José Ibarretxe. Er forderte „das endgültige Verschwinden aller Gewalt“. Er werde eng mit Zapatero zusammenarbeiten, um eine Normalisierung zu erreichen. Die baskische Regierung werde auf einen „Tisch der Parteien“ hinarbeiten. An diesem wollen die Beteiligten – wie es die ETA und die Batasuna verlangen – eine Lösung finden, über die dann alle BaskInnen in einem Referendum abstimmen sollen.