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Archiv-Artikel

Arbeiten nach dem Tod

„Kunstfehler“ (20.40 Uhr, Arte) ist ein eindringliches Krankenhausdrama ohne Blut, Tränen und Kitsch: Eine junge Ärztin trägt den Kampf gegen den machtverliebten Chef bis in den Gerichtssaal aus

Seine Augen, ein verhuschtes müdes Blinzeln, die Konzentration kostet Energie, zu viel, die elfte Operation seiner Schicht, eine blutendes Gefäß, das er übersieht. Später in der Nacht dann ein grelles Piepen und ein rotes blinkendes Feld: Herzstillstand. Der Patient, den Chefarzt Werner Blessing operiert hat, stirbt um vier Uhr und fünf Minuten.

Ja, so schlimm steht es um die Arbeitsbedingungen an deutschen Kliniken, das fehlende Geld, die hohe Belastung – wie leicht es doch wäre, Regisseur Marcus O. Rosenmüller mit seinem Film „Kunstfehler“ einen zeitgemäßen, überdies sehr gewerkschaftsaffinen Kommentar zu unterstellen, den er elegant in die Zeit flächendeckender Ärztestreiks platziert. Tatsächlich konzentriert sich Rosenmüller vielmehr auf den Fehler als Vorfall, der von Menschen eine Anschluss-Entscheidung abverlangt, eine moralische Haltung, die mit der Karriere kollidiert.

Die junge Ärztin Jutta Lambertz ist die Erste, die diesen Konflikt ausficht: Sie hat als Assistentin des Chefarztes den Fehler bemerkt und bei der OP angesprochen, er sie jedoch ignoriert. Der Mann könnte also noch leben, und – was die eigentlich tragische Komponente des Plots ausmacht – der eifersüchtige Ehemann, der die Verletzung verursacht hat, indem er den Patienten die Treppe hinunterschubste, müsste nicht mit einer Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge rechnen.

Sophie von Kessel gibt ihre Ärztin angenehm unhysterisch, eine junge Frau, die ihre Karriere aufs Spiel setzt, indem sie gegen den kritikunfähigen, eitlen Chefarzt vor Gericht aussagt. Und trotzdem schwache Momente hat. Angst vor den Seilschaften der Kollegen, die sie letztlich nicht überzeugen wird, ebenfalls auszusagen. In Günther Maria Halmer als Chefarzt hat von Kessel ein glaubhaft machtgieriges Gegenüber, das kalt alle Möglichkeiten ausspielt: erst Drohungen, dann Mobbing, zwischendurch Korruption bis er den „Krieg“ durchzieht.

Rosenmüller wählt eine Klinik als Schauplatz für sein puristisches Machtspiel, das ohne Blut, Tränen und sonstigem Kitsch auskommt.

Am Ende des Prozesses wird ein fauler Kompromiss stehen, im Einverständnis des Verteidigers (Hans-Jochen Wagner), der die Ärztin erfolgreich zur Aussage bewegte. Beide Seiten wahren ihre Gesichter, keine Helden, aber immerhin zwei Krankenschwestern, die schließlich so etwas wie minimale Gerechtigkeit ermöglichen. SUSANNE LANG