: Sozialforum bei Militärs und Islamisten
Das asiatische Sozialforum, das heute im pakistanischen Karatschi beginnt, hat es schwerer als ähnliche Treffen anderswo. Das Militärregime bremst mit restriktiver Visapolitik, und die islamistische Opposition, die sonst nicht mit US-Kritik geizt, ignoriert es
VON NILS ROSEMANN
In der pakistanischen Hafenmetropole Karatschi beginnt heute der asiatische und damit dritte und letzte Teil des diesjährigen Weltsozialforums. Das ursprünglich für Januar parallel zum lateinamerikanischen Forum in Caracas und dem afrikanischen in Bamako geplante asiatische Treffen von GlobalisierungskritikerInnen war wegen des schweren Erdbebens vom 8. Oktober auf jetzt verschoben worden. Zum ersten Treffen dieser Art in Pakistan werden 5.000 internationale und 20.000 TeilnehmerInnen aus Pakistan erwartet.
In den nächsten sechs Tagen sind 400 Diskussionsforen geplant. Zur Eröffnung sprechen der südafrikanische Erzbischof und Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu, der britische linke Autor und Filmemacher pakistanischer Abstammung, Tariq Ali, und der philippinische Globalisierungskritiker Walden Bello. Im Vergleich zum Weltsozialforum 2004 im indischen Mumbai mit 140.000 TeilnehmerInnen will das jetzige Regionalforum zu den traditionellen Themen Wirtschaft, Handel und soziale Gerechtigkeit den Schwerpunkt auf Ökologie, Umweltschutz, Überlebenssicherung, bewaffnete Konflikte und Terrorismusbekämpfung legen.
Pakistans schwache Nichtregierungsorganisationen (NGOs) hofften auf Unterstützung aus traditionell starken asiatischen Zivilgesellschaften wie Indien und Philippinen. Eine restriktive Visavergabe durch die Regierung und strikte Sicherheitsvorkehrungen in Karatschi ließen die internationalen Anmeldungen jedoch sinken. Nachdem die pakistanische Botschaft in Neu-Delhi zwölf führenden Vertretern von NGOs und Mitgliedern des indischen Weltsozialforums die Einreise verweigert hat, sagten Delegierte aus Sri Lanka und Bangladesch ihre Teilnahme aus Solidarität ab. Die Organisatoren haben die Zahlen der erwarteten TeilnehmerInnen inzwischen um 10.000 reduziert.
Karatschi zählt mit 15 Millionen Einwohnern zu den Megastädten und ist Pakistans Aushängeschild neoliberaler Politik. Auf dem Weltwirtschaftsforum im schweizerischen Davos hatte Pakistans Militärmachthaber Pervez Musharraf im Januar für Investitionen in Pakistans mit 8,4 Prozent Wachstum boomende Wirtschaft geworben. Die TeilnehmerInnen des Sozialforums werden in Karatschi sehen können, wie wirtschaftlicher Aufschwung zu sozialer Verarmung führen kann. Landflucht und städtische Verarmung gehen einher mit Umweltverschmutzung, maroder Wasser- und Elektrizitätsversorgung, mangelhaftem Gesundheitssystem und geringen Bildungschancen.
NGOs sehen die Ursachen in den quasi feudalen Strukturen, der Privatisierung öffentlicher Grundversorgung sowie den dominierenden Familienoligarchien. Der Militärhaushalt nimmt offiziell knapp 30 Prozent des Budgets ein, inoffiziell geht man vom doppelten aus. Demgegenüber betragen die Ausgaben für Grundschulbildung 0,2 Prozent und für das öffentliche Gesundheitswesen 0,5 Prozent. Pakistans soziale Verwerfungen werden als Symptome der Globalisierung gesehen, die wegen der Militärregierung und des neoliberalen Kurses von Premier Shaukat Aziz, einem Ex-Vizepräsidenten der US-Citibank, sichtbarer sind als anderswo.
Doch die lokale Beteiligung wird geringer sein als bei anderen Sozialforen. Die englischsprachigen Zeitungen berichten bisher nur auf den hinteren Seiten, in den urdusprachigen Blättern ist das Forum fast nicht vertreten. Die fehlende Unterstützung der Regierung führte zum Desinteresse der Medien. Das Forum droht eine Insiderveranstaltung zu werden. Auch die Islamisten lassen es links liegen. Sie bilden derzeit die einzig feste Opposition zum Militärregime.