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Archiv-Artikel

Lernen von Nordirlands Friedensprozess

Die baskische ETA bekräftigt Waffenstillstand. Spaniens Premier Zapatero sucht Unterstützung für Verhandlungen

MADRID taz ■ Die baskische Untergrundorganisation ETA hat sich gestern erneut zu Wort gemeldet. Die radikal-nationalistische baskische Tageszeitung Gara veröffentlichte eine ausführliche Version der bereits am Vortag verbreiteten ETA-Erklärung eines „permanenten Waffenstillstands“. Darin bekundet die Organisation einmal mehr ihre Entscheidung, ab heute 0:00 Uhr die Waffen ruhen zu lassen, um „einen demokratischen Prozess im Baskenland anzutreiben, damit das baskische Volk mittels Dialog, Verhandlung und Einigung den politischen Wandel vollziehen kann, den es braucht. (…) Die Beilegung des Konflikts hier und jetzt ist möglich. Das ist der Wunsch und der Wille der ETA.“

Auch in der Langversion macht die ETA keine Abstriche an den bisherigen Forderungen nach Unabhängigkeit des Baskenlandes. ETA, so scheint es, steht seit August 2004 mit der Regierung von José Luis Zapatero in Kontakt. Der nur wenige Monate zuvor gewählte Sozialist erhielt damals einen ersten Brief. Zapatero beriet sich wiederholt mit seinem britischen Amtskollegen Tony Blair, um aus dessen Erfahrungen im Umgang mit der IRA zu lernen. Pater Alec Reid, der bereits im Nordirland-Konflikt vermittelte, soll auch im Baskenland aktiv gewesen sein. In den letzten vier Jahren wohnte er immer wieder in einem Hotel in Bilbao. „Wir müssen uns bei Zapatero, Otegi und Usabiaga bedanken“, erklärte der 73-jährige Ire gestern.   Arnaldo Otegi ist Sprecher der mittlerweile verbotenen, ETA-nahen Partei Batasuna, und Rafael Díez Usabiaga ist Vorsitzender der radikal-nationalistischen Gewerkschaft LAB. „Die Ankündigung des Waffenstillstands bedeutet, dass es eine Einigung zum Beispiel über die Gefangenen gibt“, ist Reid sicher. Zurzeit sitzen in Spanien 544 Etarras in Haft.

Doch bevor der spanische Regierungschef José Luis Zapatero erste Maßnahmen ankündigt, will er „die Einheit aller demokratischen Parteien“ erreichen. Am kommenden Dienstag trifft sich Zapatero mit dem Führer der konservativen Volkspartei (PP), Mariano Rajoy. Rajoy hatte Zapatero in der Vergangenheit immer wieder der Schwäche bezichtigt, und seine PP hatte zweimal zusammen mit den Organisationen der ETA-Opfer zu Großdemonstrationen gegen mögliche Verhandlungen aufgerufen. Rajoy verlangte, auch nach der Ankündigung des Waffenstillstands von Zapatero „keinen politischen Preis zu zahlen“.

Mittlerweile verdichten sich Gerüchte darüber, wer der Verhandlungsführer vonseiten der ETA sein könnte. Die Presse spricht von Josu Ternera. Der letzte der alten Garde war Abgeordneter im baskischen Autonomieparlament des politischen Arms der ETA, Batasuna, nachdem er in Frankreich eine langjährige Haftstrafe wegen seiner ETA-Mitgliedschaft abgesessen hatte. 2002 floh er angesichts einer richterlichen Vorladung und schloss sich wieder den bewaffneten Separatisten an. Heute soll er der Chef des politischen Apparats der ETA sein.

REINER WANDLER