: Militärische Geiselbefreiung in Bagdad
Mit einer lang geplanten Operation befreien US-geführte Truppen im Irak drei westliche Geiseln aus der Hand ihrer Kidnapper. Der Brite und die zwei Kanadier waren im November entführt worden. Sie gehörten einer christlichen Hilfsgruppe an
AUS KAIRO KARIM EL-GAWHARY
Nach über hundert Tagen ist gestern die Geiselhaft dreier westlicher Ausländer im Irak glimpflich zu Ende gegangen. Der Brite Norman Kember sowie die Kanadier James Loney und Harmeet Sooden, die einer christlichen Hilfsgruppe angehören, wurden durch eine Militäraktion im Norden Bagdads befreit und in die befestigte, schwer bewachte „grüne Zone“ im Zentrum der irakischen Hauptstadt gebracht, wo sie zunächst medizinisch untersucht wurden. Allen dreien soll es den Umständen entsprechend gut gehen.
Die genauen Details der Befreiungsaktion sind unklar. Der britische Außenminister Jack Straw sprach in einer ersten Erklärung lediglich von „einer langfristig und vorsichtig geplanten Operation, an der multinationale und irakische Sicherheitskräfte und Zivilisten beteiligt waren“. Bei der Aktion soll niemand verletzt worden sein. Angeblich soll die Operation, an der auch britische Elitetruppen beteiligt gewesen sein sollen, in einem der Vororte Bagdads in den frühen Morgenstunden stattgefunden haben, nachdem Informationen über den Aufenthaltsort der Geiseln bestätigt worden waren. Nach unbestätigten Berichten hatten die Geiselnehmer den Ort zuvor verlassen.
Die drei Friedensaktivisten waren im November 2005 gemeinsam mit dem US-Amerikaner Tom Fox entführt worden, dessen Leiche übersät mit Folterspuren vor zwei Wochen gefunden wurde. „Da fürchteten wir, dass alle Aktivisten ermordet wurden“, erzählt der Pfarrer Alan Betterige, ein Freund des Briten Kember. Auch als er gestern den Anruf bekam, dass es Neuigkeiten aus Bagdad gab, glaubte er zunächst, es sei die Todesmeldung.
Eine bisher unbekannte Gruppe mit dem Namen „Schwerter der Gerechtigkeit“ hatte kurz nach der Entführung gedroht, die Geiseln zu ermorden, wenn nicht alle irakischen Gefangenen freigelassen werden. Zwei Ultimaten waren über Weihnachten verstrichen. Ende Januar tauchten die vier Friedensaktivisten dann wieder in einem Video auf, gefolgt von einer weiteren Aufzeichnung im März, diesmal ohne den 54-jährigen US-Amerikaner.
Mehr als 70 Ausländer gelten im Irak als entführt oder werden vermisst, darunter auch die beiden deutschen Techniker René Bräunlich und Thomas Nitzschke. Die Leipziger befinden sich seit zwei Monaten in Geiselhaft. Erst am Dienstag hatte die ARD von „indirekten Lebenszeichen“ der beiden deutschen Geiseln berichtet und sich dabei auf deutsche Sicherheitskreise berufen, laut denen es den Geiselnehmern im Kern um Lösegeld gehe. Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Gernot Erler, äußerte sich dagegen vorsichtiger. Es gebe in der Tat keine Hinweise auf irgendeine Katastrophe, sagte er.
Die gestrige Befreiungsaktion der britischen und kanadischen Geiseln durch Koalitionstruppen könnte die Lage der verschleppten Deutschen allerdings verschlechtert haben, da deren Entführer dadurch möglicherweise nervöser geworden sind.