: Des Gärtners Mühen
ARBEIT Jetzt im Frühling schreit der Garten nach Zuwendung. Vier Autoren wühlen, zerstören, vergrämen und studieren
Es ist eine dieser Sachen, die im Garten grundsätzlich den Männern vorbehalten ist. Einen vernünftigen Grund gibt es dafür, wie so oft zwischen Mann und Frau, natürlich nicht. Aber das Vertikutieren des Rasens hat alles, was ein Mann braucht: Es hat mit Maschinen zu tun, macht Krach, und es ist anstrengend, sodass man anschließend angeben und Bier verlangen kann. Dafür muss es aber auch nur ein, höchstens zweimal im Jahr sein – wenn überhaupt.
Vertikutieren, abgeleitet vom englischen vertical cut, also senkrechter Schnitt, soll im Frühjahr den sogenannten „Rasenfilz“ entfernen, also den dichten Teppich aus abgestorbenem Gras und Moos – leider meist sehr viel Moos! Danach kann der Rasen wieder atmen und Nährstoffe aufnehmen und schön wachsen.
Dafür gibt es Maschinen, deren Handhabung im Kern darin besteht, eine rotierende Walze mit daran befestigten senkrechten Messern unter dem Rumpf über den Rasen zu schieben. Die Messer schneiden Rillen in den Boden und rupfen alles heraus, was nicht wirklich festgewachsen ist. Deshalb soll man recht jungen Rasen auch tunlichst in Ruhe lassen – der Vertikutierer lässt da nix übrig.
Überhaupt sieht das Ergebnis der schweißtreibenden Tätigkeit zunächst einfach furchtbar aus. Wo eben noch schön dichtes Moos für einen harmonischen Gesamteindruck sorgte, klaffen jetzt kahle Lücken, bleckt die rohe Erde hervor. Allerdings: Selten kann man so erfolgversprechend nachsäen, so effektiv düngen – wenn man will – wie kurz nach dem Vertikutieren. Insofern: Der vertikutierende Mann leistet wertvolle Aufbau- und Grundlagenarbeit, während die Frau sich im Blumenbeet vergnügt.
BERND PICKERT
■ Der Autor hat „wegen der Kinder“ einen Garten in Stadtlage und ist dort öfter als sie
Mit Stumpf und Stiel ausrotten, was das Zeug hält: Es ist Frühjahrsputz in Deutschlands Gärten. Nun gilt es zu schreddern und zu häckseln, auf dass sich dem vom Chaos des menschlichen Daseins und dem letzten Versuch, den Netzbetreiber zu wechseln, getrübten Auge ein Wohlgefallen darbiete. Und, auf dass der holde Nachwuchs die versteckten Ostereier auch findet, anstatt sich bei der Suche im wilden Wuchs unter dem Buchsbaum zu verlaufen.
Ja, auch der Mensch baut Nester, wenn auch in der klassischen Form nur an Ostern, aus Moos und gedacht als Behältnis für Milka-Eier. Schlechter dran ist in dieser Zeit allerdings der bodennah brütende Singvogel, denn er läuft Gefahr, seinen Kopf zu verlieren, während er seine Angebetete balzend antschilpt. Und zwar, indem ihm selbiger von einem motorbetriebenen Hobbygärtner-Schreddergerät aus dem Baumarkt abgeschreddert wird. Zwar ist Schreddern offiziell nur bis Ende März erlaubt, um der Vögel Schar ungehinderten Nestbau zu ermöglichen, doch schon ab Februar drücken sich reproduktionswillige Zaunköniginnen und -könige lüstern und neugierig in ebenjenem Gestrüpp und Unterholz herum, das dem Kleingärtner ein Dorn im Auge ist und von dem er nicht möchte, dass es seine Rose in ihrem späteren edlen Wuchs belästigt. Und Gärtner Pötschke ließ aufgehen Gras und Kraut, das sich besamte, ein jegliches nach seiner Art, und Bäume, die Frucht trugen und ihren eigenen Samen bei sich selbst hatten, ein jeder nach seiner Art. Und er sah, dass es gut war.
Der Kleingärtner wiederum ist bloß ein Wiedergänger des Landwirts, der die Ränder der Felder schreddert – und dabei häufig die Wurzeln von Alleenbäumen gleich mit. Der Kleingärtner möchte seine später zu veräußernden Ressourcen jedoch nicht schützen und deren Ertrag maximieren, er verfolgt vielmehr das Anliegen, der Natur näher zu sein und sich, und sei es auf nur wenigen Quadratmetern, ein eigenes Klimazertifikat ausstellen, das ihm versichert, nicht völlig entfremdet und auch ansonsten schon völlig gaga zu sein. Deshalb bringt er das fleißig abgeschredderte Buschwerk und die Zaunköniginnenköpfe in Plastiktüten verpackt zum Wertstoffhof, wo alles vermulcht wird. Danach fährt er dorthin, wo er den motorbetriebenen Schredder gekauft hat, in den Baumarkt, um sich in Plastiksäcke verpackten Mulch zu kaufen.
MARTIN REICHERT
■ Der Autor hat den Text mit Blick auf den verwilderten Garten seines Brandenburger Hauses verfasst
Einmal, als der Liebeskummer groß war, sagte eine Unbekannte auf der Straße zu mir: „Du brauchst Farben, du brauchst Blumen.“ Sofort fing ich an zu weinen.
Farben, Blumen also – aber wie fängt man das an? Mit einem Topf voll Erde, ganz praktisch? Oder mit einem Gartenbuch – theoretisch?
Die Antwort ist klar: Bei Liebeskummer muss sofort eine Blume auf den Tisch, damit man sie anweinen kann. Da wird nicht gesät, gewässert, gewartet. Da wird gekauft.
Sonst gilt: Mach, was du willst. Das Gartenbuchstudium ist so wichtig wie das Kochbuchstudium. Man holt sich Tipps und Inspiration. Nur im Winter, da zeigt sich, dass Gartenbücher noch mehr sind: ein Ausweg aus der Tristesse. Denn sie täuschen.
Gartenbücher sind wunderschön. Das Wetter so herrlich. Die Natur so grün. Die Blumen so bunt. Die Hände so sauber. Die Buchtitel so verführend. „Neue traumhafte Privatgärten“, „Faszinierende Frauen und ihre Gärten“, „Paradies mit Laube“.
Einmal, da war der Liebeskummer vorbei, merkte ich, dass selbst der Schrebergarten meiner Freundin paradiesisch aussieht – auf Fotos. Alles eine Frage des Bildausschnitts.
Gartenbücher sind für die Fantasie. Auch die Ratgeber, die zeigen, wie man Furchen zieht, Schnecken loswird, Bäume schneidet. Theoretisch ist alles ganz leicht. Wer aber hat schon das Buch in der einen und die Schere in der anderen Hand?
Neulich allerdings hatte ich ein Gartenbuch, das durchbrach den Reigen des Vollkommenen. Da war etwas Neues drin: ein Foto von schmutzigen Händen. „Endlich gärtnern“ heißt es.
WALTRAUD SCHWAB
■ Die Autorin gärtnert im Garten ihrer Freundin
Ich hasse ihn, hasse ihn, hasse ihn. Erst gestern habe ich seine Burg geschleift, bin anschließend ordentlich drauf rumgetrampelt, bis nur noch ein armseliger Rest davon übrig war. Und heute? Ist er schon wieder dagewesen. Der Maulwurf.
Zugegeben, das Tier selbst ist niedlich. Grau ist er, der Europäische Maulwurf, mit seinen kleinen Äuglein kann er gerade mal hell und dunkel unterscheiden, und ihm einen Satz Ohren zu verpassen, hat Mutter Natur sich gespart. Manchmal fängt meine Katze einen und legt ihn mir auf die Fußmatte – erschlafft durch ihren tödlichen Nackenbiss schaut er dann aus wie ein besonders flauschiger grauer Topflappen. Kaum zu glauben, was der mit seinem 15 Zentimeter langen, walzenförmigen Körperchen alles anrichtet: hohe Erdkrater aufwerfen, Wurzeln abfressen, Gangsysteme anlegen, in denen mein Schuh versinkt.
Der muss weg. Aber wie? Der Maulwurf steht schließlich unter Naturschutz (mir ein Rätsel – gibt es nicht viel zu viele von ihnen?). Man darf ihn nur „vergrämen“. Jemand erzählt mir von Giften und Gasen, die man in die Gänge einbringt – aber das will ich nicht. Es gibt Lebendfallen, in denen ich das Tier in den Wald tragen müsste – zappel! Ich höre von Molke, die man in die Löcher gießt – absurd. Ein Blick über den Zaun weckt in mir die Frage, warum bei meinem Nachbarn der Rasen so unversehrt ist. Er hat in die Erde einen Pflock gerammt, der einen Frequenzton erzeugt, der den Maulwurf verjagt. Beim Näherkommen höre ich ihn aber auch, das ist Mist. Ich verlasse mich in diesem Jahr besser auf Mutter Natur und lege mir eine weitere Katze zu. In acht Wochen hole ich sie vom Bauern ab. Bei dem, das habe ich genau gesehen, ist der Rasen schön grün.
ANJA MAIER
■ Die Autorin lebt auf sandigem Boden im Brandenburgischen.