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Archiv-Artikel

Taktischer Wahlboykott am Nil

SUDAN I Die Südsudan-Rebellen und ein Großteil der Opposition gegen Präsident Bashir ziehen sich wegen Unsicherheit und Unterdrückung aus Sudans Präsidentenwahl zurück

Wahlen und Frieden im Sudan

■  Das Friedensabkommen von 2005 zwischen Sudans Präsident al-Bashir und der Südsudan-Guerilla SPLA (Sudanesische Volksbefreiungsarmee) sah vor:

– Südsudan wird für sechs Jahre autonom unter SPLA-Führung und stimmt im Januar 2011 über die Unabhängigkeit ab

– in Sudans Hauptstadt Khartum entsteht eine Regierung der Nationalen Einheit mit der SPLA

– 2009 finden in ganz Sudan erstmals seit 1986 Wahlen statt.

■  Die Wahlen wurden schließlich auf 2010 verschoben. Das Unabhängigkeitsreferendum für den Süden 2011 ist vorerst noch unverrückt. D.J.

VON MARC ENGELHARDT

NAIROBI taz | Einigkeit gehört nicht zu den Stärken der zerstrittenen sudanesischen Opposition. Doch am Donnerstag brauchten ihre Spitzenpolitiker nur wenige Stunden, um sich auf einen zumindest teilweisen Boykott der für den 11.–13. April geplanten Wahlen zu einigen. „Wir, die Kräfte des nationalen Konsenses, haben uns entschieden, die Wahlen auf allen Ebenen abzulehnen und zu boykottieren“, erklärte Mariam al-Mahdi von der Umma-Partei am Abend. Die gemeinsam beschlossene Liste der Gründe ist lang: Präsident Omar al-Bashir und die Wahlkommission hätten Fälschungen bei der Volkszählung und Wählerregistrierung zu verantworten. Dazu kämen die anhaltende Unsicherheit in Darfur und die Unterdrückung der Opposition im Wahlkampf. Zuvor hatte bereits die im Südsudan regierende ehemalige Guerillabewegung SPLM (Sudanesische Volksbefreiungsbewegung) angekündigt, ihren Kandidaten für die sudanesische Präsidentenwahl, Yassir Arman, wegen Unregelmäßigkeiten bei der Wahl zurückzuziehen.

Mindestens fünf Parteien aus dem Norden Sudans wollen alle Wahlen boykottieren, darunter die einflussreiche Demokratische Unionistenpartei (DUP) von Expräsident Sadiq al-Mahdi und die Kommunisten. Andere Parteien, wie die SPLM, ziehen sich lediglich aus der Präsidentenwahl zurück. Aber auch in Darfur und Süd-Kordofan will die SPLM nicht antreten. „Die Wahlen fürs sudanesische Präsidentenamt boykottieren fast alle Oppositionsparteien“, erklärte Umma-Parteisprecher Mohammed Zaki. Der Islamist Hassan al-Turabi, der 1989 gemeinsam mit Bashir geputscht hatte, kündigte hingegen an, seine Kandidatur gegen Bashir aufrechtzuerhalten. Wer genau an welchen der mindestens acht Wahlen von der kommunalen bis zur landesweiten Ebene teilnimmt, war auch am Freitag noch nicht ganz klar. Der US-Sondergesandte Scott Gration bemühte sich dem Vernehmen nach immer noch, einen totalen Boykott der Wahlen abzuwenden.

Ein Ziel hat die Opposition bereits erreicht: Die Hoffnung des als Kriegsverbrecher gesuchten Bashir, über die ersten relativ freien Wahlen seit 1986 demokratisch legitimiert zu werden, ist mit den Massenboykott gescheitert. Zugleich kann Bashir sich aber auch freuen. Schon mit dem Rückzug von SPLM-Kandidat Yassir Arman am Donnerstagmorgen war ihm der Sieg im ersten Wahlgang sicher.

Mit dem Rückzug der Südsudan-Rebellen ist Präsident Bashir der Sieg im ersten Wahlgang sicher

Nicht alle Gegner des sudanesischen Präsidenten waren deshalb über den SPLM-Rückzug glücklich. Denn was vordergründig wie Kritik am Regime in Khartum klingt, empfinden viele Oppositionelle als einen Freibrief für Bashir. Seine Nationalkongresspartei (NCP) hatte die SPLM schon vor Monaten aufgefordert, Armans Kandidatur zurückzuziehen. „Die SPLM hat uns betrogen“, wetterte Kamal Omer von Turabis Partei PCP (Volkskongresspartei). „Übereilt“ nannte Kommunistenchef Siddig Yussuf die Entscheidung aus dem Südsudan. Nicht nur weil die NCP die Entscheidung der SPLM begrüßte, sprachen Oppositionelle hinter den Kulissen von einem schmutzigen Deal auf Kosten der restlichen Opposition. Ein Vorwurf, den Arman weit von sich weist: „Der einzige Grund für meinen Rückzug ist, dass es keinen Sinn macht, an einer Wahl teilzunehmen, deren Ausgang von der NCP bereits zugunsten von Bashir gefälscht worden ist.“

Analysten glauben, dass die SPLM vor Drohungen Bashirs eingeknickt ist. „Die SPLM hat sich offenbar gegen einen totalen Boykott entschieden, weil sie die Volksabstimmung über die Unabhängigkeit im Südsudan nicht gefährden will“, erklärt Fouad Hikmat von der International Crisis Group in Nairobi.