: Auch Praxisärzte jetzt kampfbereit
Verhandlungen über Kliniktarife. Heute Protesttag der niedergelassenen Ärzte in Berlin
BERLIN taz/afp ■ Im Streit zwischen Klinikärzten und der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) zeigen jetzt beide Seiten Gesprächsbereitschaft. Gestern trafen sich Vertreter beider Lager inoffiziell. Der Verhandlungsführer der TdL, Hartmut Möllring (CDU), hatte vor dem Treffen angeboten, 48 Wochenstunden tariflich zu entlohnen.
Möllrings Angebot geht von einer Grundarbeitszeit von 40 Stunden, statt bisher 38,5 Stunden aus. Wenn ein Arzt 48 Stunden pro Woche arbeitet, soll er zusätzlich 20 Prozent des Grundgehalts bekommen. Der Marburger Bund fordert für die Klinikärzte 30 Prozent mehr Grundgehalt bei 38,5 Wochenstunden, als Ausgleich für vorangegangene Kürzungen bei Weihnachts- und Urlaubsgeld. Gestern wurde nur in zwei Kliniken gestreikt.
Mit einem nationalen Protesttag in Berlin wollen heute auch die niedergelassenen Ärzte auf die Notstände in den Praxen aufmerksam machen.
Die Ärzteverbände klagen über die jahrelange Budgetierung und eine aus ihrer Sicht unangemessene Bezahlung. Die gesetzlichen Krankenkassen zahlen eine jährliche Pauschale pro Versicherten an die Ärzteschaft, die die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) an die einzelnen Mitglieder verteilen. Die Pauschale ist nach Region und Kasse unterschiedlich. Der Arzt rechnet seine Leistungen pro Quartal mit der KV in Punkten ab.
Nach Angaben der Ärzteverbände werden im Schnitt 30 Prozent der Leistungen niedergelassener Mediziner gar nicht oder nicht kostendeckend bezahlt . Statt der Abrechnung über Punktwerte fordern sie eine Vergütung in „Euro und Cent“.
Zahlreiche Praxen sehen sich zudem aufgrund des enormen Kostendrucks in ihrer Existenz bedroht. Rund 30.000 der insgesamt 100.000 niedergelassene Ärzte müssen laut Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) mit einem monatlichen Nettoeinkommen zwischen 1.600 und 2.000 Euro auskommen.
Neben einer höheren Vergütung fordern die Ärzte auch weniger Bürokratie. Ein normaler Kassenarzt muss sich täglich mit rund 60 Arten von Formularen auseinander setzen, beklagt der Ärzteverband Virchowbund. Jeder niedergelassene Arzt leistet laut KBV pro Woche 8,2 Stunden Verwaltungsarbeit. Auch die Krankenhausärzte bringen nach Angaben des Marburger Bunds im Schnitt 38 Prozent ihrer Arbeitszeit für Verwaltungstätigkeiten auf.
Mit dem Arzneimittelspargesetz brachte Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) nach Ansicht der Ärzte das Fass zum Überlaufen. Vor allem das Bonus-Malus-System sorgt für Unmut bei den Medizinern: Ärzte sollen künftig einen bestimmten Malus entrichten, wenn sie bestimmte Kosten für Verschreibungen überschreiten.
KERSTIN SPECKNER