: Volksdeutsche unter sich
RECHTE SEKTE „Blutsvermischung führt zum Volkstod“ – im niedersächsischen Dorfmark richtete der „Bund für Gotterkenntnis“ seine Ostertagung aus. Viele Männer kamen in Knickerbockern, ihre Frauen im Dirndl
Der „Bund für Gotterkenntnis“ wurde 1951 von Mathilde Ludendorff gegründet.
■ Eine Vorläuferorganisation namens „Bund für Deutsche Gotterkenntnis“ hatte Ludendorffs dritter Ehemann, der Erste-Weltkriegs-General Erich Ludendorff, 1937 gegründet – mit Erlaubnis Hitlers, mit dem sich die Ludendorffs zuvor zerstritten hatten.
■ Nach Auskunft des Verfassungsschutzes hat der „Bund für Gotterkenntnis“ 240 Mitglieder. Ein Verbot von 1961 wurde wegen Verfahrensfehlern 1977 aufgehoben.
■ Die Menschheit unterteilt Ludendorff in „Licht- und Schachtrassen“. Die „nordischen Lichtrassen“ seien dem „Göttlichen“ näher.
VON ANDREA RÖPKE UND ANDREAS SPEIT
„Geschlossene Gesellschaft“, steht an der Tür. Von Karfreitag bis Ostersonntag dürfen im Hotel „Zur Post“ und im Gasthof „Deutsches Haus“ im niedersächsischen Dorfmark nur Anhänger des „Bund für Gotterkenntnis (Ludendorffer e.V.)“ einkehren. Auf der Straße sind die Demonstranten gegen die rechtsextremen Ludendorffer jedoch auch nicht sehr willkommen. Vorhänge werden zugezogen, Köpfe geschüttelt, als sich die 120 Protestierenden vor dem „Deutschen Haus“ versammeln. Als Demonstranten versuchen, den Ehrengast der Ludendorffer, den hoch dekorierten NS-Jagdflieger Hajo Herrmann, zu fotografieren, schlagen Ludendorffer auf die Kameras ein.
Seit über 35 Jahren hält der „Bund für Gotterkenntnis“, der bundesweit 500 Aktive haben soll, in Dorfmark seine Ostertagung ab. Nicht bloß für Hotel und Gaststätte ist der Verein mit Sitz im bayerischen Tutzing ein Umsatzgarant. „Wir haben denen viel zu verdanken“, sagt eine Wirtin. „Friedliche Leute“ seien das, die „viel Geld“ brächten, bestätigt eine Angestellte. „In der Gemeinde ist die Auseinandersetzung schwierig“, sagt Steffen Ahrens, stellvertretender Bürgermeister von Bad Fallingbostel (SPD). Nicht alle der knapp über 3.000 Einwohnern würden sich daran stören, dass die Ludendorffer laut Gerichtsbeschluss als „Antisemiten“ und „Neonazis“ bezeichnet werden dürfen.
In Dorfmark waren die Anhänger der 1966 gestorbenen Mathilde Ludendorff schon früh angereist. Meist kamen ganze Familien – vom Großvater bis zum Enkelkind. Einige trugen feine Anzüge, viele der Männer und Jungen bevorzugten jedoch Kurzhaarschnitt, Strickpulli und Knickerbocker-Hosen, während die Frauen und Mädchen zu Zöpfen und Dirndl-Kleidern neigten. „Natürlich komme ich“, hatte Gerhard Fuchs der taz versichert. Im nahen Hankensbüttel lebt der Ludendorffer, dessen Telefonnummer die einzige Kontaktadresse auf ihrer Website ist. „Wir sind bloß eine Weltanschauungsgemeinschaft“, sagt er. Weitere Fragen will er nicht beantworten. Eine Kontaktmöglichkeit, um den Vorsitzenden Gunther Duda zu erreichen, mag er nicht angeben.
Vor zwei Jahren war er noch auskunftswilliger. „Wir setzen uns alleine für das philosophische Werk Mathilde Ludendorffs ein“, sagte er da und behauptete, mit Politik hätte der Verein nichts zu tun. Der Ehrengast widerlegt allerdings diese Behauptung. Bei der NPD und DVU ist der Altnazi Herrmann als Redner immer wieder gern gesehen. Als Rechtsanwalt vertrat er Holocaustleugner.
Anke Schmidt (Name geändert) überrascht das nicht. Sie kennt die Ludendorffer, war bei ihren Veranstaltungen dabei. „Mich hatte früher allerdings verwundert, mit welcher Inbrunst die jüngeren Männer über den Kampf der Wehrmacht redeten, ganz als wenn sie dabei gewesen wären“, sagt sie. Bei einer Volkstanzveranstaltung der Ludendorffer hörte sie, dass die Männer über den Mangel an Ehrungen für Wehrmachtssoldaten klagten. Von den Verbrechen der Wehrmacht sei nie die Rede gewesen – nur von den Gräueltaten der Roten Armee.
In der Zeitschrift der Ludendorffer, Mensch und Maß, schreiben Gundolf und Elke Fuchs, dass der „hitlerische Antisemitismus“ durch „jüdische Glaubensmächte“ finanziert worden sei – um den „reinen Gedanken der Volkserhaltung“ zu beschädigen. Wirre Thesen von verwirrten Anhängern? Wohl kaum. Ludendorff selbst sah eine „riesige Verschwörung der Juden“ am Werk. Die Frau des Generals Erich Ludendorff, der zusammen mit Adolf Hitler am 9. November 1923 einen misslungenen Putschversuch anführte, unterstellt, dass die Juden „insbesondere den Deutschen eine Art von Irrsein“ eingepflanzt hätten, und zwar mit Hilfe des Christentums, der Freimaurerei und des Sozialismus. Seitdem würden die Deutschen sich zu anderen Rassen hingezogen fühlen, so dass die „Rassentugenden mit dem ererbten Gotterleben“ verloren gingen. Die „Blutsvermischung“ führe zum „Volkstod“.
Bei den Volkstanztreffen, die Schmidt besuchte, wurde über solche Dinge allerdings nicht gesprochen. „Bei den Treffen ist das alles sehr familiär“, sagt sie. „Es denken dort eh alle ähnlich.“ Das Politische werde bei den Ludendorffern im Privaten gelebt, man sei sehr heimatverbunden, volksorientiert und umweltbewusst. „Über gesunde Ernährung konnte ich mich sehr intensiv mit ihnen austauschen.“
An der Ostertagung nahmen viele Jugendliche teil. „Schon die Kinder fühlen sich auserwählt, als etwas Besonders“, sagt Schmidt. Über den Nachwuchs hat sich Vordenkerin Ludendorff konkret geäußert: „Seht sie Euch doch an, diese armen Christenkinder, wenn sie in den Schulpausen miteinander plaudern. Da wünscht sich das Kind, das zehn Jahre später den Gatten wählt und dann darüber entscheidet, ob es Bastarde oder Deutsche unter seinem Herzen trägt, allen Ernstes schwarze Haare statt blonder, und alle halten dies für eine ganz äußerliche Angelegenheit.“