Eine Feministin für Südkorea

Gestern ist die südkoreanische Politikerin Han Myung-sook von Präsident Roh Moo-huyn als Premierministerin des Landes nominiert worden. Dabei ist sie nicht die erste Frau, die in dem stark von einer patriarchalischen Kultur geprägten Land als Regierungschefin aufgestellt wurde. Das geschah erstmals vor vier Jahren. Doch scheiterte die damalige Kandidatin noch am Widerstand konservativer Abgeordneter.

Für Han sind die Chancen Südkoreas zweithöchstes politisches Amt zu erlangen weitaus größer. Dabei verlangt die konservative Opposition von ihr, die Mitgliedschaft in der regierenden linksliberalen Uri-Partei aufzugeben, da sie nur neutral dem Volk dienen könne. Doch Han lehnt den Parteiaustritt ab. Sie gilt als moderat, hat aber immer Stellung bezogen und dafür auch Konsequenzen tragen müssen.

Die in Pjöngjang, der Hauptstadt des heutigen Nordkoreas geborene Han studierte in den 60er-Jahren französische Literatur an der Ewha-Frauenuniversität in Seoul. In den 70er-Jahren wechselte sie zur Theologie und bekämpfte die Militärdiktatur. Weil sie in einer christlichen Organisation Bildungsprogramme für Frauen, Bauern und Arbeiter organisierte, kam sie für zweieinhalb Jahre ins Gefängnis. 1985 promovierte sie in Frauenstudien.

2000 wurde Han erstmals ins Parlament gewählt, ein Jahr später wurde sie Ministerin für Gleichstellung und Familie unter Präsident Kim Dae-jung. 2003 bis 2004 war sie unter dem jetzigen Präsidenten Roh Umweltministerin.

Er erwarte von Han eine „weiche Führung und machtvolle Umsetzung der Politik,“ sagte Rohs Stabschef. Er betonte, sie werde sich um dringende Fragen kümmern wie die niedrige Geburtenrate, Freihandelsabkommen, die wirtschaftliche Spaltung der Gesellschaft, die Beendigung der Immobilienspekulation und eine stabile Wirtschaftspolitik. Präsident Roh wolle dabeibleiben, der neuen Premierministerin mehr Macht einzuräumen als früher üblich. Roh hatte dies erstmals bei Hans Vorgänger begonnen. Der war vergangenen Woche zurückgetreten. Am Tag eines Eisenbahnerstreiks hatte er eine Partie Golf um Geld gespielt, unter anderem mit einem wegen Insiderhandel Verurteilten, statt sich um den Ausstand zu kümmern.

„Die Ernennung einer Premierministerin ist eine einmalige Gelegenheit mit der korrupten politischen Klasse aufzuräumen“, meinte die Generalsekretärin der Vereinigten Koreanischen Frauenverbände, Kim Kum-ok laut Agentur Yonhap. Auch der in der Beliebtheit abgestürzte Präsident Roh erhofft sich von der zuvor nicht einmal als Außenseiterin gehandelten Han ein besseres eigenes Image. SVEN HANSEN