: Zum Frühlingsbeginn stinkt’s zum Himmel
UMWELT Viele Fische sind während des langen, harten Winters erstickt und treiben an der Oberfläche. Betroffen sind vor allem kleine, flache Seen. Die Kadaver werden nun entfernt und zu Dünger verarbeitet
Was ist grün und stinkt nach Fisch? Nein, nicht Werder Bremen, sondern die Umgebung vieler Berliner und Brandenburger Seen. Dort grünt es; der Frühling hat Einzug gehalten – doch es fehlt der frische Duft.
Die Quelle des Gestanks sind Hunderte toter Fische, die während des Winters schlicht erstickt sind. „Die dichte Schneedecke auf dem Eis hat verhindert, dass Sonne ins Gewässer eindringen kann“, erklärt Susanne Jürgensen vom Fischereiamt, das der Senatsumweltverwaltung untersteht. Dadurch hätten Algen keinen Sauerstoff mehr produzieren können – und den Fischen ging es an den Kragen. „Aus dem Lietzensee haben wir zehn Tonnen toter Tiere herausgefischt – da hat wohl kaum einer überlebt“, berichtet Jürgensen.
Unter den betroffenen Arten seien vor allem die bis zu 25 Kilogramm schweren, alten Silberkarpfen gewesen, außerdem auch Aale und Hechte. „Silberkarpfen werden aber ohnehin nicht älter als 25 Jahre, die meisten wären wohl bald gestorben“, so Jürgensen. Eine endgültige Bestandsaufnahme könne man erst in einigen Wochen machen. Notfalls würden Fische nachgesetzt.
In ganz Berlin und Brandenburg wurden in den vergangenen Wochen Fischkadaver aus dem Wasser gezogen. Laut Fischereiamt sind zwölf Gewässer betroffen. Große Verluste gibt es am Rangsdorfer See südlich von Berlin in Brandenburg. Dort mussten rund 70 Tonnen Kadaver beseitigt werden. Fließende Gewässer wie Havel, Spree oder Dahme sind nicht betroffen. Generell gilt: Je kleiner und flacher ein See, desto größer ist die Gefahr des Fischesterbens. „In flachen Gewässern gibt es weniger Sauerstoff, und die Tiere haben weniger Platz, wenn das Eis kommt“, erklärt Jürgensen.
Dass der massenhafte Tod der Fische hätte verhindert werden können, sagt Herbert Lohner vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND): „Man hätte zum Beispiel Strohballen ins Wasser schmeißen können.“ So hätte Luft in den See gelangen können. Beim Lietzensee hatte das Fischereiamt versucht, mit einer Sauerstoffpumpe einige Fische zu retten. Das habe aber nur begrenzt funktioniert.
Ganz natürlich
Verwunderlich ist das Fischsterben für Experten übrigens nicht. „Das ist ein ganz natürlicher Vorgang“, erklärt Lohner vom BUND. In jedem Winter würden Fische sterben, zumal bei zugefrorenen Seen. Einzig das Ausmaß sei in diesem Jahr außergewöhnlich – „aber wir hatten ja auch einen außergewöhnlich harten Winter“, so Lohner. Jetzt müsse nur darauf geachtet werden, die Fische zügig aus dem Wasser zu holen: Sonst drohe dem Wasser Eutrophierung, also zu viele Nährstoffe.
Das qualvolle Ende der Tiere habe auch eine gute Seite, erklärt Jürgensen. „Des einen Leid ist des anderen Freud: Manche Fischarten wie die Karausche können auch mit sehr wenig Sauerstoff überleben“, erklärt sie. Für die Überlebenden sei jetzt mehr Platz – Wasserflöhe könnten etwa ihren zweiten Frühling erleben. Zudem sind die Fische nicht ganz umsonst gestorben. „Die werden in die Tierkörperbeseitigungsanstalt gebracht“, sagt Jürgensen. „Dort werden sie eingetrocknet und zu Dünger verarbeitet oder für Biogasanlagen verwendet.“
SEBASTIAN KEMPKENS