: Das neue Herzland der Sozis
Furioser Sieg der SPD in Rheinland-Pfalz. Glückloser CDU-Landeschef Böhr tritt ab
MAINZ taz ■ Das ging fix. Keine zehn Minuten nach der ersten Hochrechnung für Rheinland-Pfalz warf der Herausforderer von Ministerpräsident Kurt Beck (SPD), der promovierte Philosoph Christoph Böhr (52), das Handtuch. Er trat vom Amt des CDU-Landesparteivorsitzenden und von dem des Fraktionsvorsitzenden im Landtag zurück. Ganze 33,4 Prozent der Wählerinnen und Wähler votierten noch für die CDU. Das ist das schlechteste Wahlergebnis für die Union seit Gründung des Bundeslandes, das einst Hochburg der Partei war und in dem Helmut Kohl regiert hatte.
Die SPD mit Beck an der Spitze triumphiert, jetzt schon zum dritten Mal. Und mit 45,6 Prozent so bravourös wie nie zuvor. Sollten die auf der 5-Prozent-Hürde herumturnenden Grünen noch abstürzen – was im Verlauf des Abends immer wahrscheinlicher wurde –, ziehen die Sozialdemokraten sogar mit absoluter Mehrheit in den Landtag ein. Der langjährige Koalitionspartner FDP (8 Prozent) hätte dann das Nachsehen und müsste auf den Oppositionsbänken Platz nehmen. Oder doch nicht? Innenminister Bruch (SPD) erklärte, dass die SPD auch bei einer absoluten Mehrheit die „erfolgreiche“ Koalition mit der FDP fortsetzen wolle. Doch bei einer ähnlichen Konstellation in Hessen 2003 – allerdings mit einer absoluten Unionsmehrheit – hatte die FDP ein dementsprechendes Angebot von Roland Koch aus politischen Gründen abgelehnt. Jetzt bangt die FDP in Mainz also kurioserweise ausgerechnet um die Grünen. Nur mit den Grünen im Landtag nämlich wird die FDP als Koalitionspartner der SPD von Beck tatsächlich noch gebraucht.
Die Grünen führen die Zitterpartie nicht auf den Verlust der Regierungsbeteiligung in Berlin zurück und auch nicht auf den Rückzug von Joschka Fischer aus der Politik. „Der Allmächtige“, so Spitzenkandidatin Ise Thomas über Kurt Beck, habe im Wahlkampf eben alle und alles dominiert. Das hat vor allem der wenig charismatische Böhr zu spüren bekommen. Wäre am Sonntag der Ministerpräsident direkt gewählt worden, so die Demoskopen nach einer entsprechenden Umfrage, hätten sich 70 Prozent für Beck entschieden – und nur 20 Prozent für den Christdemokraten aus Trier, der sogar in seiner Heimatstadt von der SPD-Direktkandidatin aus dem Felde geschlagen wurde. Dass es „der Böhr nicht kann“, hatte schon Helmut Kohl (CDU) vor der Landtagswahl 1996 gemutmaßt. Dass es Böhr auch bei dieser Landtagswahl wieder nicht schaffen werde, die CDU zurück an die Fleischtöpfe in Mainz zu führen, war von Bild süffisant kolportiert worden – unter Berufung auf Einschätzungen aus dem „Umfeld von Angela Merkel“.
Auch die noch auf den letzten Drücker in Szene gesetzte Kampagne für einen Einwanderungstest, respektive für eine Fibel für Ausländer, „die bei uns die Einbürgerung erbitten“, hat Böhr nicht mehr geholfen. Im Gegenteil. Die Rheinland-Pfälzer ließen sich davon nicht beeindrucken und wählten ganz offenbar nach ihren politischen Grundüberzeugungen. Und sie bestanden den „Demokratietest“ deshalb mit Bravour – auch wenn es etwa der WASG vielleicht schwer fällt, genau das einzusehen. Magere 2,8 Prozent bekam die Protestpartei, trotz der vielen Wahlkampfeinsätze von Oskar Lafontaine. Streit wird von den Wählern eben nicht honoriert.
KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT