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Archiv-Artikel

„Nur Assad bestrafen bringt uns nichts“

BEVÖLKERUNG Eine begrenzte Attacke der USA verschärft die Lage, sagt die oppositionelle Journalistin Aasma

taz: Wie ist heute die Lage bei Ihnen, im Süden von Damaskus?

Aasma* (Redakteurin): Genauso schlecht wie seit Monaten. Nur, dass wir jetzt auch noch große Angst vor dem bevorstehenden Militärschlag haben. Die meisten hier sind damit beschäftigt, Lebensmittel zu organisieren.

Sie lehnen den Angriff ab?

Wir fänden es gut, wenn das Assad-Regime ausgeschaltet würde. Das würde uns helfen. Aber wenn es bei einer „Bestrafung“ bleibt, dann bringt uns das nichts. Im Gegenteil: Assad wird seine Vergeltungsattacken ja nicht gegen die USA richten, sondern gegen uns. Das heißt, wir müssen damit rechnen, dass es noch schlimmer wird.

Was würde Ihnen helfen?

Wenn Assads Luftwaffe getroffen würde.

Manche fordern, dass ein westliches Militärbündnis nicht nur Assad bekämpfen müsste, sondern auch die vielen Al-Qaida-Leute, die in Syrien kämpfen.

Ja, aber man muss hier unterscheiden. Mit den Al-Qaida-Kämpfern müssen wir Syrer selbst fertig werden. Und wenn Assad uns nicht mehr von der Luft aus bombardieren kann, dann schaffen wir das auch.

Würden Sie eine Entsendung von US-Truppen ablehnen?

Absolut. Die Revolution ist eine Angelegenheit der Syrer. Wir wollen keine ausländischen Bodentruppen, auf keinen Fall. Die Amerikaner sind hier nicht willkommen.

Denken viele Leute so?

Die meisten hier wollen keine Amerikaner im Land haben. Aber das Problem ist, dass das, was wir wollen oder brauchen, für den Westen keine Rolle spielt. Deshalb sind wir ja jetzt so skeptisch. Wenn der Westen uns helfen wollte, dann könnte er zumindest die Sicherheit und Versorgung der Flüchtlinge garantieren. Aber nicht einmal das tut er.

Es sollen bis zu sieben Millionen Syrer auf der Flucht sein.

Ja. Auch im Moment versuchen wieder viele, das Land zu verlassen, bevor die USA angreifen.

Sie aber bleiben?

Ja, wir bleiben.

Können Sie Ihre Zeitungsarbeit unter den gegenwärtigen Bedingungen aufrechterhalten? Schon. Als wir 2012 Enab Baladi gegründet haben, mussten wir noch im Untergrund arbeiten. Mittlerweile sind Teile von Daraya nahe Damaskus unter der Kontrolle der Oppositionskräfte. Wir publizieren vor allem online. Unsere Facebookseite hat über 26.000 Follower. Trotzdem versuchen wir, ein Mal pro Woche auch eine Printzeitung herauszugeben. INTERVIEW: INES KAPPERT

*Name geändert

Enab Baladi (https://www.facebook.com/enab.baladi) ist die größte Oppositionszeitung in Syrien. Die Redaktion behandelt neben der politischen Lage auch Fragen der Sicherheit für Oppositionelle. Seit 2013 erscheint eine wöchentliche Ausgabe für Kinder.