Die Gratwanderung eines Unbelehrbaren

Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust schmeißt seinen Justizsenator und alten Freund Roger Kusch raus. Der hat in seiner Rolle als Schill-Double ausgedient und ist zur Belastung geworden. Ein Portrait

von ELKE SPANNER

Warum nicht einmal mit dem Äußeren beginnen? Also: Roger Kusch trägt stets dunkle Maßanzüge. Sein Teint ist leicht gebräunt, unabhängig von der Jahreszeit. Die körperliche Haltung ist betont aufrecht, und bewegt er sich vor Publikum, hält er die rechte Hand in der Hosentasche, während die linke seine Worte leicht mit Gesten unterstreicht.

Das zu wissen, ist von Belang. Denn nicht erst Kuschs entwürdigender Abgang von der Hamburger Bühne weckt Erinnerungen an das frühere enfant terrible des Hamburger Senates, Ronald Schill. Auch in der Inszenierung der eigenen Person ist Kusch in verblüffender Weise dessen Pendant. Schon dass der Stuttgarter im Jahr 2000 in der Hansestadt auftauchte, war in gewisser Weise diesem Umstand geschuldet. Damals hatte der heutige Bürgermeister Ole von Beust (CDU) Sorge, dass Scharfmacher Schill ihm die zur Machtübernahme nötigen Stimmen am rechten CDU-Rand klaut, und holte sich mit Roger Kusch dessen Double als „Sicherheitsberater“ ins Wahlkampfteam.

Ole von Beust brauchte einen Hardliner, und dafür war sein alter Studienfreund Kusch genau der richtige Mann. Er vertrat eine urkonservative Gesinnung im modernen Outfit. Er brachte mit justizpolitischen Thesen die Fachwelt gegen sich auf und wusste dabei seine Reputation als früherer Mitarbeiter im Bundesjustizministerium, der CDU-Bundestagsfraktion, des Bundeskanzleramtes und zuletzt als Oberstaatsanwalt der Bundesanwaltschaft zu nutzen. Kaum war er in Hamburg zum Justizsenator aufgestiegen, reiste er in den berüchtigten Wüstenknast von Sheriff Joe Arpaio im US-Bundesstaat Arizona, dessen Strafkonzept auf der Demütigung von Gefangenen aufbaut. Das war Populismus pur, die Insassen von Hamburges Knästen müssen auch heute noch keine rosafarbene Unterwäsche tragen. Es zeigte aber auf, dass man sich in der Hamburger Justizpolitik fortan nicht mehr an wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Resozialisierung von Straftätern orientieren wollte, die für Kusch ohnehin nur 68er-Devotionalien sind – sondern an der eigenen Ideologie.

Als deren Resultat gibt es in Hamburger Gefängnissen keinen Spritzentausch für Junkies mehr, der kleine Freigängerknast in Billwerder ist ein Hochsicherheitsgefängnis mit sechs Meter hoher Mauer und Wassergraben drumherum. Es gibt keine reinen Jugendrichter mehr und kein Anti-Aggressionstraining für Jugendliche im Knast. Die rigorosesten Ideen, wie zuletzt die von der kompletten Abschaffung des Jugendstrafrechtes, trug Kusch durchweg mit einer Contenance vor, die ihm unter seinen Mitarbeitern schnell den Spitznamen „lächelnde Guillotine“ einhandelte. Nach außen hin ist er so glatt, dass er sich sogar seinen Stuttgarter Dialekt abtrainierte.

Mit politischen Gegnern hat sich Kusch niemals sachlich auseinander gesetzt. Er hat sie schlichtweg als inkompetent diffamiert. Bemerkenswert ist, dass der 51-Jährige nun über einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss stolperte, in dem er selbst an sich keine große Rolle spielte – während er den Ausschuss, der ihn selbst zum Thema hatte, unbeschadet überstand. Im Jahr 2003 sah die Bürgerschaft sich veranlasst, Kuschs Personalpolitik unter die Lupe zu nehmen. Kusch hatte die Gattin eines wohlgesonnenen Bild-Redakteurs auf einen Leitungsposten gehievt, obwohl Zweifel an ihrer Qualifikation bestanden. Parallel dazu hat er seinen damaligen Behördensprecher mit einem Richterposten auf Lebenszeit versorgt. Einen Abschlussbericht gab es nie – der Untersuchungsausschuss beendete seine Arbeit, als es im Februar 2004 zu Neuwahlen kam. Für Kusch war das pures Glück. Er selbst hat indes zum persönlichen Triumph umdefiniert, dass die groß angelegte Untersuchung ohne Konsequenzen blieb. In seiner Selbstgerechtigkeit hat ihn das noch bestärkt.

Vielleicht hatte Kusch in seiner Funktion als CDU-Gegenstück zu Schill ausgedient, als von Beust diesen schließlich im Dezember 2003 aus dem Amt gejagt hatte. Sicher hätte er gerne auch auf einen Justizsenator verzichtet, der dem Senat durchweg negative Schlagzeilen einhandelte, in juristischen Fachkreisen ebenso wie in den Medien. Hier aber kommt die alte Freundschaft zwischen dem Bürgermeister und dem Justizsenator wieder ins Spiel. Die beiden hatten sich im Alter von 22 Jahren als Studenten der Hamburger Uni kennengelernt, und es wird gemunkelt, dass sie sich damals nicht nur zum Jura-Lernen getroffen haben sollen. Auch als sich die Wege räumlich trennten, hielten sie den Kontakt. Als Kusch auf Bitten von Beust 2000 in das CDU-Wahlkampfteam kam, zog er sogar als Mieter in dessen Eigentumswohnung nahe des Hauptbahnhofes ein. Nicht nur die Regierungszeit, auch Urlaube verbrachten die beiden gemeinsam, beim Skifahren, Segeln oder Strandspaziergang auf Mallorca.

Daraus entstand eine persönliche Verpflichtung, die von Beust immer mehr in Gewissensnot brachte – und von Kusch unverhohlen für seine Alleingänge ausgenutzt wurde. Da waren die Schlagzeilen über Kusch, die auf den gesamten CDU-Senat zurückfielen. Da war aber auch diese Freundschaft, die nicht so leicht zu opfern ist wie ein rein kollegiales Verhältnis unter Senatskollegen. Von Beust, ohnehin nicht der Meister schneller und harter Entscheidungen, hat zuletzt sogar noch versucht, Kusch zu schützen. Als er eine Woche zuvor Sozialstaatsrat Klaus Meister wegen der „Protokoll-Affäre“ rauswarf, ließ er im Unklaren, dass er offenbar längst von Kuschs Verstrickung darin wusste. Gedankt wird ihm diese Loyalität nicht. Wie zuvor schon Ronald Schill, ist auch Kusch sich nicht zu fein dafür, bei seinem Abgang den Bürgermeister mit in den Schmutz zu ziehen – und die langjährige Freundschaft damit auch von seiner Seite aus endgültig aufzukündigen.