IN BADEN-WÜRTTEMBERG PUNKTEN DIE GRÜNEN ALS MITTELSTANDSPARTEI
: Alle Optionen offen

Wenn man den Erfolg der Grünen in Baden-Württemberg ergründen will, lohnt sich ein Blick auf den Freiburger Wahlkreis II. Hier gibt es viele sanierte Altbauviertel und wenig Hochhaussiedlungen aus den Siebzigern. Die SPD hat diesen Wahlkreis an die CDU verloren. Doch interessanter sind die satten 24,2 Prozent der Grünen – und das, obwohl hier ein ehemaliger Grünen-Europaparlamentarier für die WASG antrat. Der Mann erreichte 6,9 Prozent, doch den Grünen hat das nicht geschadet. Es wirkt wie eine Klärung: Die Grünen präsentierten sich als ökologisch-konservative Partei und gewannen. Die soziale Frage stellten andere.

Natürlich beschäftigen sich auch Grünen-Politiker in Baden-Württemberg mit Arbeitslosigkeit und dem Mangel an Lehrstellen. Aber das Profil der Landesgrünen bestimmen die Motive: bewahren und Maß halten. Der Spitzenkandidat mit Schlips und Anzug ist mit den Kernthemen Ökologie und Haushaltsdisziplin durch den Wahlkampf gereist, aber auch mit der neuen Botschaft einer grünen „Mittelstandspartei“. Er hat damit bekundet, dass er das Wählerpotenzial im Bürgertum und keinesfalls bei den sozial Schwachen sieht. Und auch nicht unbedingt bei Bürgerlichen, für die die soziale Frage Priorität hat. Das war für eine Partei, die sich als links versteht, ein Risiko. Es hat jedoch funktioniert, ebenso wie die Offenheit gegenüber einer schwarz-grünen Option niemanden abschreckte. Die von Günther Oettinger servierten Themen AKW und Muslim-Test ermöglichten bei aller Anschmiegsamkeit eine Abgrenzung. So kam der Schwarz-Grün-Apologet Oswald Metzger in seinem Wahlkreis sogar auf über 16 Prozent.

Nun ist die Frage, ob der ökologisch-konservative Ansatz aus Baden-Württemberg zum Modell für die Partei wird. Dagegen spricht, dass das grüne Personal nirgendwo so im Bürgertum verwurzelt ist wie im Südwesten und dass es kaum anderswo ein so großes konservatives Wählerpotenzial gibt.

Eines jedoch zeigt der Erfolg der Grünen in Baden-Württemberg: Sie können unabhängig von der SPD funktionieren. Als mögliche Regierungspartei und als Opposition. GEORG LÖWISCH