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Archiv-Artikel

Späte Wiedergutmachung

DIEBSTAHL Ein Einbruch brachte vor 20 Jahren die Agentur des linken Fotografen Günter Zint nahe an den Ruin. Jetzt hat der Einbrecher, ein Ex-Mitarbeiter von Zint, eine erste Schadensersatz-Rate bezahlt

„Es ist mir unbegreiflich, dass ich so tief abrutschen konnte“

Ex-Pan Foto-Mitarbeiter Uwe W.

Es war ein schwerer Schlag für die kleine linke Fotoagentur Pan Foto von Günter Zint. Der Hamburger Fotograf hatte sich mit seinen Aufnahmen der Beatles aus der Zeit, wo diese im legendären Star Club auf St. Pauli ihre Weltkarriere begannen, mit Fotos der 68er und der Atomkraftwerks-Proteste in Brokdorf und Grohnde Mitte der 70er Jahre bundesweit einen Namen gemacht – und stand Ende 1990 kurz vor dem Aus.

Am 1. August wurde das Büro von Pan Foto in Hamburg-Altona von einem Einbrecher heimgesucht. Kameras, Objektive, Reproausrüstung, das Archivsystem, Computer und Disketten wurden entwendet – Gerätschaften im Wert von 140.000 Mark. „Wir waren faktisch ruiniert“, sagt Zint. Denn versichert war die Firma nicht. Die 2,5 Millionen Bilder stellten einen immateriellen Wert dar, der bestenfalls bei Lloyds-London abgesichert worden wäre – zu einer unbezahlbaren Prämie.

Zint war klar, dass nur ein Insider der Einbrecher sein konnte. Der Zeitpunkt des Bruchs war gut gewählt – Zint hatte sich gerade in den Urlaub begeben. Der Täter wusste genau, wie die zwei Alarmanlagen abgeschaltet werden konnten, in welchen Stahlschränken sich die teuren Kameras befanden und wo die Schlüssel deponiert waren.

Unter Verdacht stand Mitarbeiter Uwe. W. „Ich hab’ ihn behandelt, als wenn er zur Familie gehört“, sagt Zint. Und das, obwohl allen klar war, dass W. regelmäßig Drogen nahm. Doch die Polizei nahm die Ermittlungen nur schleppend auf. „Endlich haben sie diese linke Bazille auch mal ausgeräumt“, feixten nach taz-Informationen die Polizisten im zuständigen Lerchenrevier im Schanzenviertel. „Diese Bazille macht keine Fotos mehr von uns.“

Dass es bei Pan Foto doch weiter gehen konnte, war der Unterstützung einiger Medien und der Spendenfreudigkeit zu verdanken. „Wir bekamen so viel Geld zur Unterstützung, dass wir weitermachen konnten“, sagt Zint. Und auch Uwe W. ist schließlich überführt worden. Bei einem Diavortrag über eine Nicaragua-Brigade erkannte eine Pan-Foto-Mitarbeiterin den Projektor wieder – er trug sogar noch den Aufkleber mit dem Firmenlogo. Uwe W. hatte den Apparat, der einen Wert von 1.000 Mark hatte, den Veranstaltern zuvor für 50 Mark verkauft. Im September 1992 ist er zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt worden, da er ein Geständnis abgelegt hatte.

Die gestohlenen Geräte musste Pan Foto allerdings abschreiben, da die Polizei es versäumt hatte, die Seriennummern weiterzugeben. So konnte es kommen, dass ein Pfandhaus Kameras und die Reproausrüstung in einer Auktion versteigern ließ. „Mich rief ein Käufer an und fragte, ob ich noch weitere Objektive für die Reprokamera habe“, sagt Zint „Ich wollte die Kamera natürlich sofort wiederhaben.“ Doch der Anwalt habe ihn belehrt, dass Diebesgut, das den Besitzer bei einer Gerichtsauktion wechselt, als „gesäubert“ gilt.

Trotz des milden Urteils war der Abstieg von Uwe W. besiegelt. Drei Jahre lebte er auf der Straße, zehn Jahre schlug er sich mit dem Verkauf des Obdachlosen-Magazins Hinz und Kunzt durch. Dass er sich wieder aufrappeln konnte, verdankte er nach eigenen Angaben seiner inzwischen verstorbenen Freundin Berit, mit der er 2004 die Firma Blocker-Kollektiv aufbaute. Insbesondere bei Studio Hamburg-Produktionen der Serie „Notruf Hafenkante“ ist er seit langem für die Absicherung der Dreharbeiten zuständig.

Inzwischen haben Uwe W. und Günter Zint wieder Kontakt. W. hat ein paar hundert Euro Schadenersatz gezahlt. „Was er bei uns gelernt hat, hat er zum Beruf gemacht“, sagt Zint beinahe versöhnlich. „Ich versuche, das wieder gutzumachen, was ich an großem Scheiß angerichtet habe“, sagt der heute 54-jährige Uwe W. der taz. Je nach Möglichkeit will er Geld zurückzahlen, ist Fördermitglied für Zints St. Pauli Museum geworden. „Es ist mir unbegreiflich, dass ich so tief abrutschen konnte,“ sagt W. „Ich bin heilfroh, dass ich es geschafft habe, wieder aus dieser Scheiße herauszukommen.“ KAI VON APPEN