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Archiv-Artikel

Antonios Strumpfhosen

SUPERKURZ – SUPERFIT „High Sixties Fashion“: Die Kunstbibliothek breitet ihre Mode-Fotografien und Mode-Illustrationen für die umwälzenden Sechzigerjahre aus

Für den Minirock brauchte es dann die Strumpfhose, mit floralen Op-art-Mustern und Knallfarben

VON BRIGITTE WERNEBURG

Ganz wichtig war die Strumpfhose. Es gab Begriffe wie „Diolen“. Und geradezu nostalgisch macht der Maximantel; vor allem aus Strick. Mit Kapuze war er ein sehr lässiges Teil, unter dem der Minirock und die Lackstiefelchen besonders schick hervorblitzten.

Wir sprechen von den Sixties, als Antonio seinen Bikermädchen so riesige goldene Mähnen zeichnete, dass man meint, der Stylist schlechthin, Ara Gallant, hätte ihnen wenigstens zehn Haarteile untergeschoben. Dass der Star der Modezeichnung, Antonio Lopez, auch die stilprägenden Plakate für Hudson-Strumpfhosen entwarf, das ist jetzt bei „High Sixties Fashion“ in der Kunstbibliothek zu erfahren. Die Ausstellung punktet mit authentischem Material, genauer mit „Modefotografie & -illustration“ wie der Untertitel lautet; dazu mit Covern von einschlägigen Singles und als einzigem Originalobjekt eben mit – Strumpfhosen. Mit diesen Originalquellen ist „High Sixties Fashion“ – in Zeiten von Recycling und Retrowesen, in denen die Kopien die Urbilder der Hochzeit von 1964 bis 1969 inzwischen längst blickdicht überlagern – ein Angebot, das der an Mode und Zeitgeist interessierte Mensch nicht ablehnen kann.

Selbstverständlich waren die 60er-Jahre noch eine Zeit von Kostümen und Jackenkleidern, die von Handschuhen, Hüten und Handtaschen begleitet wurden, die viel zu solide waren, um It-Bags zu sein. Noch hatten die Mäntel Pelzbesatz. Gleichzeitig aber änderte sich die modische Silhouette so radikal wie zuvor höchstens noch in den 20er-Jahren. Denn die Sixties waren das Jahrzehnt, in dem sich die Teens und Twens, später sprach man korrekter von Young Urban Professionals, endgültig als entscheidende Konsumentengruppe etabliert hatten. Mit dem jungen, schlanken Mädchen als idealer Trägerin wurde auch die Mode androgyn, „superkurz, superfit“ wie der Stern die Frühjahrskollektion 1968 von Courrèges beschrieb; und sie wurde superflach, ob es die Spangenschuhe betraf oder den Busen, den man damals einfach nicht hatte.

Diese Umwälzung bedingt es auch, dass mit den Sixties so viele distinkte Accessoires, Begriffe und Materialien verbunden sind wie mit kaum einem anderen Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts. Falsche Wimpern, zum Beispiel, oder der Bob von Vidal Sassoon gehören dazu. Und natürlich der Minirock. Für den Minirock brauchte es dann die 1960 erstmals auf den Markt gekommene Strumpfhose, mit ihren floralen, vor allem aber ihren geometrischen Op-art-Mustern, mit ihrer durchbrochenen Webart und ihren Knallfarben. Neben Diolen, Dralon, Trevira oder Perlon war Metall der Modestoff schlechthin. Das Foto eines Kleids von Paco Rabanne aus dem Jahr 1966 hat deshalb den Bildnachweis „Deutsche Edelstahlwerke AG“. Dazu ist der unaufhaltsame Siegeszug der Hose in der weiblichen Garderobe zu beobachten. Spätestens 1967 war sie fester Bestandteil jeder Kollektionen. Das Paradebeispiel authentischer Mode, das im heutigen Bild der Sixties – glücklicherweise – restlos verdrängt und vergessen ist, ist der Hosenrock.

Die Ausstellung zeigt in ihren farbig markierten Themenbereichen ein frisches Layout, wobei diese Markierung dann auch schon fast alles ist, was es an Farbe gibt. Tatsächlich kommen die Farben der 60er-Jahre in der Schau definitiv zu kurz. Denn sie vermittelt den Eindruck, die Modefotografie wäre ein restlos schwarz-weißes Phänomen gewesen. Ein Eindruck, dem der Blick in die Modemagazine in den Vitrinen widerspricht. Allein über die wenigen Zeitschriften und die Illustrationen kommt also in der Kunstbibliothek die Farbe ins Spiel. Wer aber sind die Illustratoren wie etwa Hannelore Brüderlin oder Katharina Denzinger? Dass darüber nichts in Erfahrung zu bringen ist, ist nun wirklich das große Manko einer Schau, deren Thema nicht die Mode, sondern die „Modefotografie & -illustration“ ist. Hier fehlt es an Sorgfalt, was besonders für den Katalog gilt, der die Fotografen und Illustratoren nur noch auf der Seite mit den Bildnachweisen nennt.

■ Bis 1. August, Kunstbibliothek, Kulturforum Potsdamer Platz, Di., Mi., Fr. 10–18, Do. 10–22, Sa., So. 11–18 Uhr, Katalog (Buchhandlung Walther König) 19,80 €