: Selektion in Bayern
betr.: „Die Dreiteilung wackelt“, taz vom 25. 3. 06
In Bayern gilt schon immer, dass es weder den Kindergarten noch die Grundschule für alle Kinder gibt. Vielmehr wird beginnend ab dem 3. Lebensjahr eine immer wachsende Zahl von Kindern als „schwierig“, „behindert“ oder „von Behinderung bedroht“, aber auch „teilleistungsgestört“ aus den Regeleinrichtungen ausgegrenzt und an „Schulvorbereitende Einrichtungen“ (SVE) – in Bayern bereits Teil des Sonderschulsystems – abgegeben; integrative Kindergärten bilden bei uns Inseln.
Die bayerische Grundschule wiederum wird durch ein perfektes System von Förderschulen bzw Förderzentren mit „Dia-Fö-Klassen“ (Diagnose- und Förderklassen) entlastet, um so mit schnellen Schritten und lernzielgleich auf die Selektion (nach dem 4. Schuljahr) fortzuschreiten. Nur unter solchen Bedingungen können in Kindergärten und Grundschulen derart schlechte Personalschlüssel bzw. Riesengruppen/-klassen existieren und kann sich individualisierte Pädagogik nicht entfalten.
Die erste und folgenschwerste Selektion vor Schuleintritt betrifft bei uns bis zu 10 Prozent eines Jahrgangs und wird zurzeit durch Sprachkurse und -tests im Kindergarten noch ausgebaut, das System der Sonder- bzw Förderschulen entlastet und stabilisiert die lernzielgleiche Grundschule und damit die zweite Selektionswelle. Selbst wenn man das Schicksal der frühzeitig von den übrigen Kindern isolierten Kinder nicht näher kennt, muss man doch im Interesse aller Kinder gegen diese Selektion von Anfang an und für integrative Kindergärten und Grundschulen eintreten. Fazit: Die Rede vom „dreigliedrigen Schulsystem“ diskriminiert nicht nur 10 Prozent unserer Kinder, sondern auch das gerechte Anliegen einer „Schule für alle“!
GÜNTHER SCHEDEL-GSCHWENDTNER, GEW Bayern