: Bahn rechnet sich die Zukunft schön
Am Freitag wird Bahnchef Mehdorn die Bilanz des Unternehmens präsentieren. Sie soll belegen: Der Konzern ist reif für die Börse. Grundlage für den demonstrativen Optimismus ist die interne Mittelfristplanung. Doch an dieser darf gezweifelt werden
VON ANNETTE JENSEN
Normalerweise veröffentlicht die Deutsche Bahn (DB) ihre Bilanz erst im Mai. Doch in diesem Jahr will sie ihre Jubelmeldungen schon übermorgen präsentieren. Die Eile hat ihren Grund. In den kommenden Monaten wollen Bund und Länder über die Zukunft der DB entscheiden: Privatisierung mit oder ohne Netz.
Die DB hofft auf die Gier der Finanzpolitiker: Ein Verkauf inklusive Netz wäre einem Expertengutachten zufolge bereits 2007 machbar. Alle anderen Formen der Privatisierung würden frühestens 2009 Geld in die Staatskasse bringen.
Knapp 500 Millionen Euro Gewinn wird die DB am Freitag ausweisen. Im kommenden Jahr sollen es schon 800 Millionen sein – so sieht es die nicht öffentliche mittelfristige Finanzplanung des Unternehmens vor. Das Signal ist klar: Es geht steil bergauf, das Unternehmen ist börsenreif.
Um für Investoren interessant zu sein, braucht die DB angesichts des von ihr eingesetzten Kapitals allerdings die Aussicht auf jährlich 2,4 Milliarden Euro Gewinn. Vorstandschef Hartmut Mehdorn liefert fantastische Zahlen, um zu suggerieren, dass er im Schnellzug dorthin unterwegs ist. Ein Beispiel ist die Güterverkehrstochter Railion: Im vergangenen Jahr hatte der Betrieb bis zum dritten Quartal noch Miese eingefahren, so dass ein Minus von 130 Millionen für 2005 erwartet wurde. Doch seither soll es rasant aufwärts gehen und im Jahr 2009 soll Railion ein Plus von 270 Millionen Euro erreichen.
Ein betriebswirtschaftliches Wunder verspricht Mehdorn auch beim Fernverkehr: Fast der gesamte zusätzliche Umsatz soll zu Gewinn werden. Wie 400 Millionen Euro ohne Investition in die Kasse kommen, bleibt im Nebel. Außerdem will die DB mehrere Milliarden Euro Schulden tilgen und zugleich satte Dividenden ausschütten; die Finanzlücke ist vorprogrammiert.
Allerdings geht aus der mittelfristigen Finanzplanung auch hervor, was Bahnfreunde seit langem fürchten: Die Investitionen ins Netz sollen von heute 4,3 Milliarden auf 4 Milliarden im Jahr zurückgefahren werden.
Was würde es bedeuten, wenn der Bahnchef die entscheidenden Politiker überzeugt? Ein Gutachtergremium hatte im Januar Zahlen vorgelegt. Bei der von der DB gewünschten „integrierten Lösung“ – die Schienen bleiben Teil der DB und werden mit verkauft – könnten höchstens 49 Prozent der Aktien privatisiert werden. Sie brächten dem Bund 5 bis 8,7 Milliarden Euro – deutlich weniger, als einige andere Modelle erwarten lassen.
Doch das Geld wird wohl kaum in der Staatskasse ankommen. Die Gutachter machen zwei entscheidende Einschränkungen: Um Investoren anzulocken, müsste die mittelfristige Finanzplanung der DB tatsächlich eintreffen – was nicht realistisch ist.
Zum Zweiten sollte die DB zum Zeitpunkt des Börsengangs über eine Eigenkapitalquote von 50 Prozent in Marktwerten und damit nach heutigem Stand über 23,5 Milliarden Euro verfügen. Sonst hätte sie kaum eine Chance auf das für Aktiengesellschaften extrem wichtige A-Rating, mit dem das Unternehmen auf jeden Fall kreditwürdig ist. Gegenwärtig besitzt die DB gerade einmal schlappe 16 Prozent Eigenkapital. Selbst wenn der Bund bereit wäre, die beim Verkauf einkassierten Milliarden der DB zu geben, könnte dieses Kriterium nicht erfüllt werden. Kurzum: Das Tafelsilber wäre weg – die Kasse bliebe dennoch leer.
Doch noch aus einem weiteren Grund wäre die „integrierte Lösung“ fatal: Jeder Aktionär, der mehr als 25 Prozent besitzt, könnte Entscheidungen gegen den Abbau des Schienennetzes blockieren. „Im Extremfall“ müsste der Bund dem Investor ein Übernahmeangebot machen, schreiben die Gutachter.
Profitieren von einer „integrierten Lösung“ würde zum einen die DB, die als Herrin über das Netz Konkurrenten behindern könnte. Doch auch die Investmentbank Morgan Stanley, die bereits 2004 einen Komplettverkauf der DB für machbar erklärt hatte, dürfte beim Verkauf gut abkassieren. Mit hohen Dreingaben aus der Staatskasse ließen sich dann wohl auch Investoren finden. Und wenn der Staat deren Anteile aus verkehrspolitischen Gründen zurückkaufen will, würde Morgan Stanley wohl erneut profitieren.