: Säuglingsnahrung mit Uran
Verbraucherministerium will jetzt doch höhere Grenzwerte für Uran in Mineralwasser festlegen. Experten fordern Deklarationspflicht
Trotz Warnungen von Toxikologen meint die Bundesregierung, uranhaltiges Mineralwasser sei unbedenklich für Säuglinge. Sie will jetzt erstmals einen Grenzwert festlegen, bis zu dem das radioaktive Schwermetall in Mineralwasser vorhanden sein darf. Noch im November war das Verbraucherministerium der Ansicht, Mineralwasser für Säuglinge müsse praktisch uranfrei sein. Doch nach Einsprüchen von den Bundesämtern für Strahlenschutz und für Risikobewertung gab das Ministerium diese Position auf und schlägt einen weitaus höheren Grenzwert vor.
Zunächst sah der Entwurf zur Änderung der Mineralwasserverordnung einen Höchstwert von 0,2 Mikrogramm Uran pro Liter vor; nun sollen es zwei Mikrogramm für Säuglinge sein. Begründung: Die „radioaktive Giftigkeit“ könne bei diesen Größenordnungen vernachlässigt werden, sagt das Bundesinstitut für Risikobewertung.
„Radioaktivität ist nicht die einzige schädliche Wirkung von Uran“, entgegnet der Toxikologe Hermann Kruse von der Universität in Kiel. Die chemische Giftigkeit des Schwermetalls sei ebenfalls von Bedeutung. Der Experte verlangt die Deklaration der Urangehalte. „Den Verbrauchern muss die Möglichkeit gegeben werden, die tägliche Uranaufnahme durch gezielte Produktauswahl zu verringern“, so Kruse. Besonders bei Säuglingen solle darauf geachtet werden.
Das Bundesamt für Risikobewertung argumentiert hingegen, niemand müsse in Deutschland Säuglingsnahrung mit Mineralwasser zubereiten, denn Trinkwasser sei dafür bestens geeignet. Bisher gibt es allerdings keine Grenzwerte für Uran im Trinkwasser.
Tatsächlich haben Untersuchungen problematische Urangehalte sowohl für Mineralwasser wie für Leitungswasser ergeben. Im Sommer 2005 veröffentlichten die Bundesbehörden Ergebnisse von 1.500 Uranproben bei Mineralwässern: Jede zweite getestete Wassersorte überschritt den Wert von 0,2 Mikrogramm Uran pro Liter. Ein zehnfach großzügigerer Grenzwert, wie nun vorgesehen, ist folglich zweifellos im Interesse der Wasserwirtschaft.
Zur Uran-Belastung bei den Trinkwasserversorgern ist noch wenig bekannt. Je nach Grenzwert müssen aber zwischen zwei und 50 Prozent des deutschen Grundwassers als urangefährdet gelten, sagt Broder Merkel, Professor an der Technischen Universität Bergakademie in Freiberg. Der Hydrogeologe, ein führender Umweltexperte für Uran im Wasser, weist darauf hin, dass landwirtschaftliche Düngung, Kohleverbrennung sowie Rückstände aus der Erdölverarbeitung die Urangehalte in Wasser und Boden ständig erhöhen – weit über die natürlicherseits vorkommende Uranbelastung hinaus. Diese steigt außerdem ständig durch die Folgen von Uranabbau, Uranverarbeitung und den Betrieb von Atomkraftwerken. Professor Merkel fordert deshalb gesetzliche Höchstwerte auch für Trinkwasser.
Welche gesundheitlichen Folgen Uran haben kann, zeigen die tierexperimentellen Studien des französischen Instituts für Strahlenschutz und nukleare Sicherheit (IRSN). In den Tierversuchen schädigte Uran nicht nur Niere, Leber und Lunge, sondern auch das Gehirn. Zudem reicherte es sich im Organismus an.
INGE LINDEMANN