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Archiv-Artikel

Das ganze Land verharrt in Trauer

OPFERGEDENKEN Schweigeminuten für die Toten. Leichnam von Staatschef Lech Kaczynski in Warschau eingetroffen. Beileidsbekundungen aus aller Welt

WARSCHAU dpa | Tiefe Trauer in Polen: Mit zwei Schweigeminuten haben die Polen am Sonntag der 96 Opfer gedacht, die am Samstagvormittag bei einem Flugzeugabsturz im westrussischen Smolensk ums Leben gekommen waren, darunter auch Staatschef Lech Kaczyński. Als um 12.00 Uhr die Sirenen heulten, blieben überall Menschen stehen, auf den Straßen stoppten Autos. Vor dem Parlament in Warschau würdigte Regierungschef Donald Tusk, der vom tragischsten Ereignis der polnischen Nachkriegsgeschichte sprach, seinen früheren politischen Widersacher Kaczyński mit einem Kniefall. Auf der Prachtallee vor dem Präsidentenpalast im Zentrum von Warschau sammelten sich tausende Menschen zu Gebeten und sangen patriotische Lieder. Tausende strömten in dem katholisch geprägten Land in die Kirchen. „Wir beten für unser Vaterland“, sagte der Kardinal Stanisław Dziwisz bei einer Messe in der Kathedrale auf dem Wawel, der ehemaligen Residenz der polnischen Könige in Krakau. Er sprach den Angehörigen der Präsidentenfamilie sein Mitgefühl aus. In Polen gilt eine einwöchige Staatstrauer, der russische Staatspräsident Dmitri Medwedjew erklärte den Montag zum offiziellen Trauertag.

Am Nachmittag traf der Sarg mit dem Leichnam Kaczyńskis in Warschau ein. Soldaten trugen den Sarg aus dem Flugzeug an den Trauernden vorbei, zu denen auch Kaczyńskis Zwillingsbruder Jarosław gehörte. Die Leichen der anderen Opfer waren nach Moskau überführt worden, wo sie von Angehörigen in Empfang genommen werden sollten.

Gemäß der Verfassung übernahm Parlamentspräsident Bronisław Komorowski vorläufig die Amtsgeschäfte des Staatschefs. Er kündigte an, nach Gesprächen mit den Parteien einen Termin für die eigentlich für Oktober geplante Präsidentenwahl festzusetzen. Der 58-Jährige geht selbst für die Regierungspartei von Ministerpräsident Donald Tusk ins Rennen. Umfragen zufolge hätte er Kaczyński bei der regulären Wahl geschlagen. Laut Verfassung muss bis Ende Juni gewählt werden.

Staats- und Regierungschefs weltweit sprachen dem polnischen Volk ihr Beileid aus. Bundeskanzlerin Angela Merkel schrieb an Ministerpräsident Tusk: „Ganz Deutschland steht in dieser schweren Stunde in Mitgefühl und Solidarität an Ihrer und der Seite Polens.“ In einer späteren Stellungnahme sprach die Bundeskanzlerin von einer „politischen und menschlichen Tragödie für Polen“. US-Präsident Barack Obama würdigte die Rolle des getöteten Präsidenten in der Solidaritätsbewegung.

Unterdessen begannen russische und polnische Ermittler mit der Auswertung der beiden Flugschreiber der abgestützten, 26 Jahre alten Maschine vom Typ Tupolew Tu-154. Russlands Regierungschef Wladimir Putin, der den Polen am Samstag in einer Fernsehansprache sein Beileid ausgesprochen hatte, übernahm persönlich die Leitung der Untersuchungen zur Absturzursache.